Mein Kampf gegen den 👅 Krebs

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Ich sitze unter dem von der Apfel-Gespinstmotte zerfressenen Apfelbaum und schaue in den Himmel …

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Später in der HNO Klinik Uni Rostock  …

… lohnt sich das eigentlich bei mir noch?

frage ich die sympathische junge Ärztin, Dr. Sara Maria van Bonn.

Das ist nun drei Jahre her und man ist zwar fünf Jahre lang immer noch “Krebspatient”, aber nach drei Jahren darf man schon mal aufatmen, weil es ab dann immer unwahrscheinlicher ist, dass der Krebs wiederkommt. Diese drei Jahre sind nun am 26. August 2024 erreicht.

Disclaimer: Ich beschreibe hier den Verlauf und die Behandlung meines Zungenkrebses. Bitte überlege dir ganz genau, ob du als direkt betroffener Zungenkrebspatient diesen Artikel lesen möchtest oder lieber ganz “unvoreingenommen” in deine Zungenkrebsbehandlung gehen möchtest. Das Gleiche gilt für die nächsten Angehörigen als indirekt Betroffene.

Aber von Anfang an

Ein paar Tage nach meiner zweiten BionTech-Impfung gegen Covid-19 hatte ich Schmerzen am linken Zungenrand und spürte einen kleinen Knubbel. Mit der Vermutung eines kausalen Zusammenhangs mit der Impfung wollte ich die Ärztin sprechen, die mich geimpft hat, aber das war an diesem Tag nicht möglich. Deshalb habe ich mich abends beim kassenärztlichen Notdienst vorgestellt, um Klarheit darüber zu bekommen, ob das vielleicht mit der Impfung zusammen hängen könnte und nur ein Reizfibrom ist oder doch etwas Schlimmeres, nämlich Zungenkrebs.

Der Notarzt meinte allerdings, er könne nichts sehen. Ich glaube, er wollte nichts sehen. Egal. Er hatte natürlich auch nicht die Möglichkeiten, das ordentlich zu untersuchen.

Radiologie Uni-Klinik Rostock

In den folgenden 10 Tagen wurden die Schmerzen weniger, nachdem ich mehrmals täglich und sogar nachts mit Kamille gespült habe. Der Knubbel ging allerdings nicht weg.

So sprach ich beim HNO-Arzt Dr. Tobias Schuldt in Rostock vor, der als langjähriger Oberarzt in der HNO-Klinik Uni Rostock aufgehört und einen Tag zuvor, am 7. Juli 2021, eine eigene Praxis in Rostock Lütten-Klein eröffnet hat.

Er diagnostizierte Zungenkrebs und überwies mich an die HNO-Klinik der Uniersitätskliniken Rostock. Noch am Freitag Nachmittag fuhr ich dorthin und zwei weitere Ärzte bestätigten den Verdacht auf Zungenkrebs.

Eigentlich hatte ich der Ärztin in der HNO-Klinik Uni Rostock wegen der Terminmitteilung ja gesagt, dass ich aufgrund dessen ich in der Nacht alle ein, zwei Stunden wegen meiner Herzinsuffizienz beziehungsweise Wasserlassen aufwache und deshalb nicht vor 10 Uhr (nach meiner inneren Uhr und der Normalzeit wäre das ja auch erst 9 Uhr) ans Telefon gehe. Den Klingelton habe ich bis zum Aufstehen ohnehin ausgeschaltet.

Trotzdem versuchte, wie ich auf meinem Handy sah, das Krankenhaus mich schon am darauffolgenden Montag ab 8 Uhr zu erreichen. Ich finde das einfach rücksichtslos.

Die K1-Stimme

Als ich meinen Morgenkaffee vor mir hatte, klingelte es erneut und eine aufdringliche, für mich unangenehme weibliche “K1-Magazin-Stimme” leierte einen Text mit “OP am 28. Juli, 7:45 Uhr nüchtern da sein, am 26. Juli von 7:30 Uhr bis 14:30 Uhr Vorgespräche und CT, Essen mitbringen und Einweisungsschein” herunter.

Wie ein Roboter. Nichts Menschliches und bloß keine Zwischenfrage zulassen. Ich war erst mal bedient und enttäuscht nach dem ersten guten Eindruck.

Der weitere Ablauf war also so geplant, dass am 26. Juli das Hals-CT gemacht werden und die Gespräche mit dem Anäthesist, dem (operierenden ?) Arzt und dem Klinik-Leiter stattfinden sollten.

Dann am übernächsten Tag sollte unter Vollnarkose die Panendoskopie, also umfassende Inspektion des Rachenumfeldes mit Biopsie, also Gewebeentnahme, gemacht werden.

Ich habe auch Aufklärungsmaterial mit nach Hause bekommen: Zwei sogenannte Thieme Compliance-Aufklärungsbögen über die Vollnarkose mit auszufüllendem Fragebogen (Anamnese) sowie über die Spiegelung der oberen Luft- und Speisewege ggf. mit Gewebeentnahme (Panendoskopie mit Biopsie), auch mit zu beantwortenden Fragen.

Brutale Aufklärung

Das Lesen dieser Aufklärungsbögen ist echt brutal. Seitenlange Aufzählung von Risiken und teilweise lebensgefährlichen Komplikationen. Lungenembolie, Thrombose, Nervenschäden, Gewebeschäden, Atemnot nach geplatztem Lungenbläschen, Verletzungen der Luftröhre, der Bronchien, des Kehlkopfs, der Speiseröhrenwand, Lungenentzündung, Sepsis (Blutvergiftung), “massive Blutungen mit lebensbedrohlichem Blutübertritt in die Atemwege oder sogar tödlich endende Gefahren durch Sauerstoffmangel mit Hirnschäden …” Ich höre hier mal mit der Aufzählung auf.

Bei dem Aufklärungsbogen für Vollnarkose die gleiche “schwere Kost”: Venenentzündungen, lebensbedrohliche Infektionen, Kreislaufschock, Herzstillstand, Kreislauf- und Organversagen, Atemversagen, Hirnschädigung, lebensgefährliches “Einfließen von Speichel und Mageninhalt in die Lunge (Aspiration) mit Lungenentzündung oder Lungenversagen. Und das ist noch nicht genug.

Alles kann, nichts muss

Es geht weiter mit “krampfartiger Verschluß der Luftwege bei der Einführung und Entfernung des Tubus”, lebensbedrohliche Verminderung der weißen Blutkörperchen, und noch ein paar Risiken und Narkosefolgen wie Lungenembolie und Herzinfarkt.

Eigentlich bringt es rein gar nichts, das alles zu lesen. Überfliegen oder Querlesen reicht vollkommen, um zu wissen: Alles kann, nichts muss.

Ich konzentriere mich nun auf meine konkreten Fragen an die Ärzte am Gesprächs-Termin, um für mich eine Entscheidung treffen zu können, ob ich die Risiken in Kauf nehmen möchte oder eine alternative Therapie suche.

Ich frage mich beispielsweise: Kann man das weitere Wachstum des Tumors nur durch Medikamente stoppen in einer sogenannten “Targeted Therapy”?

Organisations-Chaos

Am 26. Juli 2021 war es dann soweit. Ich musste zur stationären Aufnahme-Prozedur für die Panendoskopie und Biopsie, die am 28. Juli stattfinden sollte, um 7:30 Uhr in der Otto-Körner-Klinik erscheinen. Nicht nur zu einer für mich unmenschlichen Uhrzeit, sondern auch noch nüchtern.

Vera-Marleen wollte als meine Ehefrau natürlich mitkommen und so fuhren wir mangels ausreichender Parkgelegenheiten auf dem Klinik-Gelände mit der Straßenbahn zur HNO-Klinik Uni Rostock.

pati, patio, patis, patit, patimus …

… konjugierten wir im Lateinunterricht …

Nun hieß es von einem Zimmer ins nächste und dazwischen immer warten. Als Patient soll man ja auch leiden, so will es die lateinische Herkunft des Wortes: “patiens” bedeutet übersetzt leidend, erduldend, beziehungsweise “pati” leiden, erdulden. Zumindest muss man sehr geduldig sein, als Patient.

Der dritte Raum war für das Aufklärungsgespräch für die Vollnarkose, also die Anästhesieaufklärung. Der unnahbare Arzt schaute in meine Unterlagen und signalisierte mit einem Seufzer, dass ich wohl als Risikopatient mit Vorerkrankungen ein schwieriger Fall bin. Dann leierte er, ähnlich wie der “verschwundene Arzt” in der Augenklinik damals seinen Text runter.

Und wieder war Warten angesagt. Nach mittlerweile sechs Stunden Aufenthalt in der Klinik wurde ich zur Blutentnahme für ein Blutbild und zur Legung eines Zuganges für das Kontrastmittel für das Hals-CT gerufen. Vera blieb draußen im Flur sitzen.

Nach sieben Versuchen, eine Vene zu treffen, war endlich genug Blut für die Ermittlung der Blutwerte entnommen und ein Zugang am linken Handrücken verlegt.

Arztgespräch zwischen Tür und Angel

Und ehe ich mich versah, erzählte mir ein anwesender Facharzt in nur zwei Sätzen etwas über die geplante Panendoskopie. Dass dies das Aufklärungsgespräch gewesen sein sollte, erfuhr ich erst, als mir gesagt wurde, dass ich gleich zum CT abgeholt würde.

Ich schimpfte noch schnell vor mich hin, dass meine Frau doch extra mitgekommen ist, um beim Aufklärungsgespräch (dass ja aber keins war), dabei sein zu können und beschwerte mich offiziell bei der Oberschwester. Die sagte mir dann ein ausführlicheres Gespräch nach dem Hals-CT mit dem Arzt zu, was ja auch sinnvoller ist, da dann ja die CT-Ergebnisse vom Hals vorliegen.

In einem 5minütigem Krankentransport ging es dann zur Radiologie der Uniklinik Rostock. Da war das etwa 15 Quadratmeter kleine Wartezimmer an diesem Montag vollgestopft mit neun weiteren Patienten. So bevorzugte ich, den unendlich langen Gang, dort immer wie ein Tiger im Käfig hin und her zu laufen. Um 14:42 Uhr hatte ich schon ein Tagespensum von 8.000 Schritten auf meinem Fitness-Tracker.

Schwester Rabiata

Dann wurde ich endlich von einer eher abgenervten Dame – keine Ahnung, ob Schwester oder Ärztin – in eine Kabine gebeten, wo ich mich einiger Kleidungsstücke und einer Zahnprothese entledigen musste. Das ging ihr scheinbar nicht schnell genug und sie schaute immer wieder rein, wie weit ich bin. Wie ich später feststellte, war ich der Letzte vor ihrem Feierabend. Das könnte ihre Ungeduld erklären. Oder sie hatte einfach nur einen schlechten Tag.

Nachdem ich ihr klar machte, dass der zuvor verlegte Zugang nach fast zwei Stunden nunmehr sehr schmerzt, stellte sie fest, dass er nichts tauge und brauchte zwei weitere Versuche, um einen neuen Zugang zu verlegen. Bei dem ersten von ihr verlegten Zugang, der nicht funktionierte, legte sie brutal einen derart festen “Druckverband” an, dass ich meinen Arm nicht mehr beugen konnte.

Der zweite von ihr verlegte Zugang sieht heute, sechzehn Tage danach, immer noch wie ein misslungenes lila-blaues Tattoo aus.

Und hier der Beweis, dass es der Katastrophen-Zugang von der etwas rabiaten und ungeduldigen Dame in der Radiologie, Hals-CT war, die am 26. Juli 2021 um 15:30 Uhr Dienst hatte.

Ein solches Hämatom entsteht, wenn die ausführende Person mit einem sterilen Tupfer schon beim Herausziehen der Kanüle zu starken Druck auf die Stelle ausübt. Dadurch kann die Vene verletzt werden. Die Kompression darf erst unmittelbar nach dem Entfernen der Kanüle erfolgen und muss dann vom Patienten, soll ein Hämatom vermieden werden, vier Minuten (und nicht kürzer) fortgesetzt werden. Wurde in die Armbeugenvene gestochen, sollte der Arm bei der Kompression nach oben gehalten werden, um ein Hämatom zu vermeiden.

Weiter habe ich ergoogelt, dass die geballte Faust während der Blutabnahme laut einer Studie aus Großbritannien zu erhöhten, falschen Kaliumwerten führt.

Damit sich die Venen gut mit Blut füllen, sollte die Punktionsstelle tiefer liegen als der rechte Herzvorhof. Auch Pumpen durch wiederholtes Öffnen und Schließen der Faust kann helfen, die Venen mit Blut zu füllen.

Ich lag also auf der Liege des CT-Gerätes und musste jetzt den Arm die ganze Zeit waagerecht halten, da ich ihn nicht auf meinen Bauch legen konnte. Ganze fünfzehn Minuten lang, bis ich einen Krampf bekam.

Um kurz vor vier, also achteinhalb Stunden ohne Nahrungsaufnahme, sollte ich nun wieder 30 Minuten warten, ob ich das Kontrastmittel vertragen habe.

Dann wurde ich gegen 17 Uhr, also nach nunmehr neuneinhalb Stunden mit einem Krankentransport in die Otto-Körner-Klinik zurück gefahren. Dort wartete Vera vor dem Eingang schon auf mich und wir gingen hoch auf die Station 1, um ein vernünftiges Arztgespräch einzufordern.

Inzwischen waren ja auch die CT-Aufnahmen im Intranet verfügbar und der junge Facharzt Christoph Lachmann erklärte uns am Bildschirm, wo der Tumor an der Zunge sitzt und dass da sonst glücklicherweise keine weiteren Metastasen im Halsbereich und wohl auch Kopf sind.

Nach etwa zehn Stunden Stress ging es dann wieder mit der Straßenbahn nach Hause.

Am nächsten Tag, dem 27. Juli 2021, sollte ich mich dann um 18 Uhr wunschgemäß zur Übernachtung im Krankenhaus einfinden, da ich schon dort sein wollte, wenn am nächsten Tag die Panendoskopie unter Vollnarkose stattfindet. Die Straßenbahn lieferte mich in einer Punktlandung Punkt 18 Uhr dort ab und ich meldete mich auf der Station 1.

In dem hellen, geräumigen Zweibettzimmer Nummer 2 mit der Türkennung “Apfel mit grinsender Made” lag noch ein junger Mann, der TV schaute.

Ich räumte meinen Kram in den Schrank, schaute mir den durch einen Vorhang abgetrennten Waschraum an, verband mich mit dem kostenlosen WLAN der Universitätsmedizin Rostock (UMR), legte mich aufs Bett und schaltete erst mal den kostenfreien Fernseher ein. So lasse ich mir einen Krankenhausaufenthalt gefallen. Und als auch noch das Abendessen richtig lecker war, entspannte ich mich und unterhielt mich ein wenig mit meinem Zimmernachbar, der die Panendoskopie schon hinter sich hatte und über die Thrombosestrümpfe lästerte, die man am Tag der OP anziehen musste und wohl erst bei der Entlassung wieder ausziehen durfte. Meiner Meinung nach dient dies auch eher der rechtlichen Absicherung der Klinik, denn die Wirkung von Thrombosestrümpfen bei Operationen wird in Fachkreisen als zweifelhaft angesehen und wie mir mein Bettnachbar erklärte, bekommt man außerdem noch eine Thrombosespritze in den Bauch und noch eine Tablette gegen Thrombose.

Da ich ja noch bis Mitternacht essen durfte und dann erst mal lange nichts, habe ich meine mitgenommene Avocado kurz vor Mitternacht verzehrt.

Betrunkene und ein Feuerwerk

Ich war ziemlich aufgeregt, von draußen hörte man bis weit nach Mitternacht Betrunkene herumbrüllen, sogar ein Privatfeuerwerk wurde abgezündet. Ich denke, so gegen halb drei bin ich dann eingeschlafen.

Dann am frühen Morgen ging es Schlag auf Schlag. Kurz vor sieben Uhr Fiebermessen und um sieben Uhr Visite mit der Ansage, dass mich in zweieinhalb bis drei Stunden ein Dr. Jung operieren würde, aber jetzt wäre erst mal “ein Ohr dran”, so der O-Ton.

Ich solle mir das hinten offene Nachthemd und die Thrombosestrümpfe anziehen und möglichst nochmal auf die Toilette gehen, die übrigens nicht im Waschbereich im Zimmer war, sondern gegenüber auf dem Flur für zwei Patienten-Zimmer gemeinsam. Eine optimale Lösung, finde ich.

Irgendwann gegen halb elf wurde ich mitsamt Bett von zwei Schwestern abgeholt und in den OP-Bereich gekarrt. Das ging da irgendwie durch eine Schleuse und schwupps war ich im OP-Saal. Naja, kam mir irgendwie sehr klein vor, eher ein OP-Säälchen. Oder ich war so aufgeregt, dass ich das nur so empfunden habe.

Dann sollte ich mich vom Bett auf den Operationstisch rollen, was auch gut klappte. Ich habe zwei Frauen und zwei Männer wahrgenommen, eine Frau stellte sich als Anästhesistin vor und sagte, dass sie mir jetzt einen Zugang legen würde. Ich dachte gleich an die rabiate Radiologin beim Hals-CT und warnte sie, dass das bei mir problematisch ist. “Für uns nicht”, erwiderte sie. “Wir machen das mehrmals täglich”. Ich vertraute ihr sofort und Ruckzuck lag der Venen-Zugang.

Rehaugen

Dann schauten mich an meinem Kopfende zwei dunkelbraune Augen einer liebevollen Ärztin an, ich glaube es war Assistenzärztin Johanna Gruel, aber bin mir wegen dem Mund- und Nasenschutz nicht sicher. Habe nur ihre sanften, aber wachen Rehaugen gesehen und entsinne mich, dass sie irgend etwas von “wir sind heute so richtig gut drauf” und schönen Träumen sagte. Dann bekam ich noch eine warme Spezialdecke, weil der Körper während der Vollnarkose abkühlt, glaube ich aufgeklärt worden zu sein.

Ich fühlte mich geborgen und sicher bei dem erfrischend wirkendem, jungen OP-Team.

Der junge Arzt, es war wohl Dr. Jung, erklärte mir, dass er mir nun eine Maske auf meinen Mund und Nase setzen wird und ich ein Narkosegas einatmen werde. Ich atmete eine gewisse Zeit, ohne dass ich etwas spürte. Dann sagte er noch, dass ich gleich einschlafen würde und dass ich Bescheid geben solle, wenn ich es merke.

Immer wieder sagte die Ärztin mit den wunderschönen Rehaugen, dass ich das gut machen würde mit dem Ein- und Ausatmen.

Das ist wohl ein sich immer wiederholendes Ritual, dieses Loben.

Plötzlich spürte ich eine kommende Ohnmacht, wie ich sie schon vor der Herzschrittmacher-Implantation sechsundvierzig Mal erlebt habe. Dieses äußerst unangenehme Gefühl des Bewusstseinsverlustes.

Ich schaffte es, noch “jetzt” zu sagen. Ich frage mich im Nachhinein: Warum sollte ich das eigentlich tun?

Dann verlor ich das Bewusstsein …

… zum 47. Mal seit 2018.

Als ich aufwachte, blickte ich wieder in die hübschen braunen Rehaugen und sie fragte :”Na, schöne Träume gehabt?”. “Ich glaube, ich habe geträumt, weiß aber nicht mehr, was.” Dann fragte ich nach der Uhrzeit. Zwölf Uhr. Im Gegenzug wurde ich nach meinem Geburtsdatum und dem Wochentag gefragt.

Ich bedankte mich noch für den guten Job und wurde ins Aufwachzimmer geschoben oder wie hört man oft Rettungssanitäter sagen: “verbracht”.

Dort lag ich direkt am Fenster mit noch vier oder fünf weiteren Aufwachenden und fühlte mich wieder voll bei Bewusstsein. Auf meinem Hals lag ein Teil mit Kühlmittel. Nach einiger Zeit tat mein Rücken weh und ich drehte mich ein wenig zur Seite. Ich schaute immer wieder auf die große Uhr über der Tür und verfolgte den Minutenzeiger, denn ich wusste, dass man nach etwa einer Stunde aus dem Aufwachraum geholt wird.

Die Zeit verging sehr langsam, gefühlt im Schneckentempo und mein Rücken schmerzte. Ich versuchte mich hinzusetzen, aber bekam das nicht hin. Ich beobachtete, wie sich die Wolken am Himmel langsam bewegten.

Endlich wurde ich Punkt ein Uhr aus dem Aufwachraum geschoben, nachdem irgendwer irgendwas unterschrieben hat, wie ich mitbekommen habe.

Im Patientenzimmer begutachtete ich mich erst mal im Spiegel. Da war etwas Blut in meinem Gesicht und meine Oberlippe war geschwollen, innen blutig und fühlte sich taub an. Beim Gehen war ich noch etwas unsicher.

Mein Zimmernachbar war ja schon morgens entlassen worden und so hatte ich das Zimmer nun ganz alleine für mich. Da die Sonne in den Raum schien, nahm ich einen Stuhl, setzte mich direkt vor das Fenster und lies mir die Sonne auf mein geschundenes Gesicht scheinen. Das tat gut. Ich spürte, dass ich lebe.

Zimmer 102 in der HNO-Klinik Uni Rostock

Um halb drei brachte mir die Schwester einen Pudding und einen Kaffee und um halb sechs ein für Krankenhausverhältnisse leckeres Abendessen. Sogar ein Würstchen war dabei. Allerdings hätte ich die dreifache Portion weg nageln können.

Wenn kein Unfall oder “Ohr” heute abend reinkommt, habe ich das Zimmer in der Nacht für mich, dachte ich so bei mir und hörte über Kopfhörer meine Amazon-Playlist mit meinen Lieblingssongs.

Nun fing mit Nachlassen des Betäubungsmittels auch die Zunge an weh zu tun und das Schlucken war unangenehm. Auch der Zugang an der Hand störte mich, aber er musste über Nacht dranbleiben, falls sich noch Komplikationen ergeben.

Kurz nach acht kam dann doch noch ein “Unfall rein”. Er glaubte, ein Plastikteil beim Essen verschluckt zu haben und sollte vorsorglich endoskopisch untersucht, also mit einer Mimikamera in die Speiseröhre geschaut werden, wenn ich das richtig mitbekommen habe. Dazu sollte er später “irgendwann in der Nacht” mit einem Krankentransport in die ein paar Kilometer entfernte Uniklinik in der Schillingallee gebracht werden. Aber eigentlich hatte ich ja genug mit mir selbst zu tun.

Die Nacht im Schneidersitz

Gegen zweiundzwanzig Uhr wurden die Schmerzen schlimmer. Man hörte alle fünf Minuten die Straßenbahn poltern und wieder Betrunkene, deren lautes Gebrülle durch die Häuserschluchten in der Doberaner Strasse noch verstärkt wurde. Ich bekam noch eine Schmerztablette von der Schwester, aber da gingen nur die Schmerzen an der Zunge und der Oberlippe weg, aber nicht die Schmerzen beim Schlucken. Nur im Sitzen, leicht nach vorne gebeugt, war es einigermaßen erträglich. Das wird ja die Nacht der Nächte werden, dachte ich so bei mir.

Gegen Mitternacht wurde “der Notfall” von Sanitätern abgeholt. Ich war inzwischen hundemüde, konnte mich wegen der Schmerzen beim Schlucken aber nicht hinlegen. So saß ich weiter im Bett.Die Nachtschwester kümmerte sich rührend um mich, fragte immer wieder nach meinem Befinden.

Gegen drei Uhr morgens kam “der Unfall” zurück von der Endoskopie. Sie haben nichts gefunden, sagte er beruhigt. Er chatte dann wohl noch mit seiner Familie und ich blieb weiter sitzen, bis irgendwann am frühen Morgen wieder Fieber gemessen wurde.

Dann habe ich mich gewaschen und noch vor der Visite die ätzenden Thrombosestrümpfe ausgezogen, meinen Trolley gepackt und mich angezogen. Ob das möglicherweise bei “der Visite” nicht gut ankam, war mir nach dieser Nacht so was von egal.

Ich wollte einfach nur noch meine Entlassungspapiere und nach Hause.

Unglaublich

Die nächsten Tage hatte ich ziemliche Schmerzen beim Schlucken und ein störendes Kribbeln im Hals. Als ich dann reflexartig etwas aushusten wollte, war das dann tatsächlich, wie mir später auch von Ärzten bestätigt wurde, ein Stück Gewebe von der Speiseröhre. Ich fotografierte das etwa 1,5 x 0,5 cm große Gewebestück und wollte es über “Google Lens” bestimmen lassen. Als Ergebnis wurde mir angezeigt: “Chinesisches Essen”. Tatsächlich sah das Gewebestück auch aus wie ein kleines Stück Fleisch von einer gebratenen Pekingente. So etwas kann bei einer Panendoskopie und Biopsie passieren, dass Gewebereste in der Speiseröhre oder Luftröhre hängen bleiben und sich später lösen. Ich habe das Teil auch fotografiert, aber nicht in Alkohol eingelegt und konserviert …

Wartezimmer Radiologie Universitätsmedizin Rostock

Heute, am 4. August musste ich zur Computertomographie des Thorax und Abdomen, um Metastasen im Bereich der Lunge und Bauchraumes auszuschließen. Diesmal war es auch nicht so voll wie beim letzten Mal.

Dass es auch anders als bei ihrer Kollegin, der von mir so genannten “Schwester Rabiata” geht, bewies die Ärztin oder fachmedizinische Angestellte bei der Legung des Zugangs für das Kontrastmittel. Wir sprachen auch darüber, das das Klopfen der Venen mit den Fingern nützlich sein kann, damit sie besser hervortreten und dass sie das auch so gelernt hat:

Adern klopfen hilft ✋

Man kann die Armbeuge oder den Handrücken des Patienten reiben oder klopfen, wodurch in der Haut Histamin freigesetzt wird, eine Rötung entsteht und die Venen erweitert werden. Aus meiner Erfahrung haben die Schwestern heutzutage allerdings ganz offensichtlich irgendwelche Hemmungen, diese Technik anzuwenden. Ich entsinne mich, dass diese Technik des Reibens und Klopfens vor der Blutentnahme in meiner Kindheit in den 50ern und 60ern absolut üblich war und praktiziert wurde. Ich werde in Zukunft die Schwestern immer bei eine Blutabnahme oder Anlage eines Zugangs dazu befragen und dann hier darüber berichten.

Oder vielleicht sollte ich meine Armbeuge selbst beklatschen, beklopfen und reiben! Ja, so mache ich das in Zukunft.

Ich war ja nun schon CT-erfahren und so war die Untersuchung inklusive der Hitzewallung fast schon Routine für mich. Es spielt auch eine große Rolle, wie die Person drauf ist, die die Untersuchung durchführt. Diesmal hatte ich Glück und bin von einer sehr sympathischen jungen Frau behandelt worden.

Histologieauswertung

Heute, am 5. August, hatte ich einen Termin zur Histologieauswertung, also der Auswertung der entnommenen Gewebeprobe (Biopsie) bei der Panendoskopie unter Vollnarkose.

Auch das war wieder eine Zumutung. In dem kleinen Raum waren wir zu fünf Personen. Zuerst gab es noch nicht mal einen freien Platz, auf den ich meine private Krankenakte und mein Tablet ablegen konnte. Da mussten erst andere Patientenakten umgelagert werden.

Fachlich ist die Otto Körner-Klinik ja die beste HNO-Klinik in Mecklenburg-Vorpommern, mit vielen Preisen ausgezeichnet, aber organisatorisch ist noch Luft nach oben, finde ich. Eine Stunde Wartezeit trotz Termin ist meiner Meinung nach kein ordentliches Termin-Management. Ich finde, die Grenze liegt bei zwanzig Minuten als Sicherheitspuffer wegen Zuspätkommern. Zumindest aber könnte man als pünktlicher Patient eine Ansage bei der Anmeldung erwarten, mit welcher Wartezeit man ungefähr zu rechnen hat. Das gehört sich einfach, finde ich.

Zunächst war der beruhigende Tenor des Gesprächs mit drei Ärzten/innen dass das Thorax- und Abdomen-CT vom Vortag negativ sei, also keine weiteren Tumore oder Metastasen gefunden wurden, dass es sich am Zungenrand um einen bösartigen Tumor unter 1 cm (TNM-Klassifikation T1) im Frühststadium handelt und dass er möglichst schnell operativ entfernt werden sollte.

Dazu müsse allerdings noch irgend etwas im inneren Wangenbereich in Knochennähe wegoperiert werden und zur Sicherheit auch die Lymphknoten in Hals, wenn ich das richtig verstanden habe. Der freundliche Oberarzt Dr. Lichun Zhang, der sich immer so lieb entschuldigt, wenn er den Rachen untersucht und man dadurch reflexartige Schmerzlaute von sich gibt, war aber ansonsten für meine Bedürfnisse nicht gesprächig genug.

Als er dann noch den Begriff “Magensonde” in den Raum warf und nur so begründete, dass man “das sonst nicht überlebt”, hatte ich erst mal die Schnauze voll, denn mit diesem Thema habe ich mich noch nie beschäftigt. Das hört sich jedenfalls überhaupt nicht gut an. Für die ganz Hartgesottenen unter euch hier der Link zum Thieme-Aufklärungsbogen. Vorsicht, ist aber harte Kost!

Leider wurde mir an diesem Tag nicht das Ergebnis der CT-Untersuchung des Halses vom 27. Juli vorgelegt (davon habe ich erst am 13. August Kenntnis erhalten), so dass ich über die wahre Größe und Dicke des “Knubbels” beziehungsweise Tumors erst eine Woche später informiert wurde. Ich bin also eine Woche über das tatsächliche Ausmaß im Unklaren gelassen worden, dachte immer, dass der Tumor unter einem Zentimeter groß ist und vielleicht von geringer Dicke. Gut, ich hätte auch nichts ändern können, hätte ich es vorher gewußt. Aber richtig finde ich es nicht.

Der Tag der Wahrheit

Heute, am 10. August, war ich bei meinem HNO-Arzt, Dr. Tobias Schuldt, um mich besser und vor Allem ausführlicher, als es in der Klinik geschah, über die weitere Vorgehensweise aufgrund der Ergebnisse aus der histopathalogischen Begutachtung der in der Biopsie entnommenen Gewebestücke beraten zu lassen. Sozusagen als Zweitmeinung.

Es handelt sich also um einen bösartigen Tumor des Grading 3 von vier, also ziemlich bösartig und aggressiv. Da er jedoch unter einem Zentimeter groß ist und sich laut Hals-, Thorax- und Abdomen-Computertomographie (CT) noch keine Metastasen gebildet haben, kann er mit großer Erfolgsaussicht wegoperiert werden. Da aber auch um den Tumor als “Sicherheitsabstand” Gewebe wegoperiert werden muss, kann es sich um ein Stück von 2 x 2 cm oder sogar 2 x 3 cm handeln (wenn ich das richtig verstanden habe), das aus dem hinteren Drittel der Zunge (und am Wangenknochen) herausgeschnitten wird. Und vielleicht muss in einer zweiten Operation nochmal nachgebessert werden, damit man ganz sicher sein kann, dass das bösartige Tumorgewebe auch vollständig entfernt wurde, so Dr. Schuldt. Zudem müssen zur Sicherheit auch noch die Lymphknoten am Hals in einer 40 bis 90minütigen OP entfernt werden.

Dies hat zur Folge, dass ich eine gewisse Zeit lang über eine Magensonde (PEG) bis zu fünf Monate künstlich ernährt werden muss. Das ist mein größtes ethisches und ästhetisches Problem, gegen das ich mich jetzt schon tagelang gesträubt habe.

Auf meine Frage, was passiert, wenn ich mich nicht operieren lassen würde, antwortete Dr. Schuldt, dass ich dann in absehbarer Zeit ersticken oder an meinem eigenen Blut “ertrinken” würde. Das ist bei der Größe und dem frühzeitigen Stadium also keine Option. Und auch die Magensonde ist überlebenswichtig und wird dann wieder entfernt, wenn ich wieder normal essen kann.

Ich habe ihn auch gefragt, warum man im Internet so wenig Erfahrungsberichte über Zungenkrebs findet. Das liegt daran, dass die Mehrzahl der Betroffenen alkoholkranke Raucher sind und sich nicht intensiv mit der Krankheit beschäftigen wollen oder können und natürlich so auch keine Erfahrungen in Foren im Internet austauschen.

Ich habe auch gelesen, dass es in Deutschland “nur” etwa 10.000 Patienten (Stand 2012) mit dem seltenen Zungenkrebs gibt und dass er neben dem Alkohol- und Nikotinmißbrauch auch durch Vererbung (meine Mutter hatte Zungenwurzelkrebs), schlechte Mundhygiene, schlechtsitzende Zahnprotesen und (dadurch bedingte) chronische Verletzungen an der Zunge entstehen können. Aber auch Pfeifenraucher sind besonders für Zungenkrebs gefährdet.

Ich war ja lange Zeit Raucher, habe aber vor sechs Jahren aufgehört Zigaretten zu rauchen und bin auf Pfeife umgestiegen, weil ich dachte, das das “gesünder” ist.

Die Tabakpfeife war keine gute Idee

Vielleicht interessiert dich auch mein Blogartikel zum Thema “Genuss aus der Pfeife”.

Ganz offensichtlich war das aber keine gute Idee. Seit drei, vier Jahren rauche ich aber überhaupt nicht mehr, auch nicht gelegentlich mal einen Zug aus der Pfeife. Es fiel mir auch überhaupt nicht schwer, aufzuhören und ich ärgere mich, dass ich das nicht schon vor 20 Jahren gemacht habe. Im Nachhinein empfinde ich Rauchen als die sinnloseste Beschäftigung, die es überhaupt gibt.

Ich habe gerne Bier, gelegentlich Wein, aber nie harte Sachen getrunken. Seit vier Jahren trinke ich allerdings aufgrund meiner Einnahme von Herztabletten überhaupt nichts alkoholisches mehr.

Also, ich persönlich und als Laie vermute, dass der Zungenkrebs bei mir durch eine chronische Verletzung der Zunge durch eine Zahnprothese oder sogar durch die Impfung mit BionTech (DNA-Veränderung) ausgelöst wurde. Meine Hausärztin bestätigte mir, dass in ihrer Praxis tatsächlich seit Neuestem auch drei weitere Fälle von Zungenkrebs aufgetreten sind. Zufall oder kausaler Zusammenhang mit Covid-19-Impfstoffen?

Dr. Schuldt hat sich viel Zeit genommen, mir den weiteren Ablauf der Therapie zu erklären, so dass ich jetzt auch psychisch bereit bin, das alles auf mich zu nehmen.

Ich bin glücklich, einen Arzt wie Dr. Tobias Schuldt als ehemaligen Oberarzt der Otto Körner-Klinik neben den mich jetzt behandelnden Ober-, Fach- und Assistenzärzten der hoch angesehenen und vielfach ausgezeichneten Otto-Körner-Klinik Rostock als weiteren Berater und Begleiter im Hintergrund meines wohl schweren Weges zu haben.

Der Schock

Heute, am Freitag, dem 13. August fuhren wir wieder in die Otto Körner Klinik, um die Empfehlung des gestrigen Tumor Boards, einer Konferenz mit Ärzten verschiedener medizinischer Fachrichtungen, hoffentlich auch in schriftlicher Form entgegen zu nehmen. Und unsere diversen Fragen zu stellen, insbesondere zu der künstlichen Ernährung und den Einschränkungen nach der OP.

Diesmal fand ein sehr ausführlichen Arztgespräch mit Dr. Zhang, zu dem dann auch noch mein Operateur, Dr. Sebastian Schraven, der stellvertretende Klinikdirektor, hinzu kam.

Und dann ging es ans Eingemachte.

Am 19. August muss ich um 7 Uhr für einige Stunden in die Klinik, um auf die kommenden Operationen vorbereitet zu werden. “Das beinhaltet hno-ärztliche Untersuchungen, Aufklärungen und Narkosegespräche”, so die Patienteninformation, die mir mit den OP-Terminen und weiteren Informationen ausgehändigt wurde.

Dann darf ich nochmal über das Wochenende nach Hause und am 23. August geht es dann los. Um 7:45 Uhr muss ich im Krankenhaus erscheinen, nüchtern ohne Frühstück. An diesem Tag soll mir dann unter örtlicher Betäubung eine Magensonde, PEG, angelegt werden zur künstlichen Ernährung. Diese muss dann in den nächsten zwei Tagen “gepflegt” und bewegt werden, damit die Platte unter der Bauchdecke nicht festwächst.

Das hörte sich alles ganz anders und viel weniger dramatisch an. Nun ist noch der Luftröhrenschnitt, mal so ganz nebenbei erwähnt, dazugekommen. Der macht mir vom Kopf her jetzt am meisten zu schaffen.

Mein Schicksalstag

Am 26. August ist dann die eigentliche Operation des Tumors geplant. Sie wird etwa sechs bis acht Stunden dauern, erklärte mir Dr. Schraven und es wird zur Sicherheit ein Luftröhrenschnitt gemacht. Außerdem werden die Lymphknoten am Hals linksseitig entfernt und es wird vom linken Unterarm Gewebe entnommen, um es an der Zunge zu implantieren.

Denn der Tumor ist nicht, wie zunächst angenommen, kleiner als 1 Zentimeter, sondern laut CT-Auswertung  eine genau 1,3 x 1,0 x 1,3 cm große “rundliche Raumforderung”. Also Klassifikation TN1c, wie ich ergoogelt habe. Und um den Tumor herum muss mit Sicherheitsabstand weggeschnitten werden, um ein mögliches Verbleiben von winzigen Tumorzellen zu verhindern. Somit werden nicht, wie ich anfangs vermutete, zehn bis fünfzehn Prozent der Zunge entfernt werden, sondern etwa dreißig Prozent. Deshalb auch die Transplantation des sogenannten Radialislappens von der Innenseite des Handgelenkes und Entnahme von Adern und Nerven bis zur Armbeuge für das Integrieren an die Zunge. Davon war beim ersten Gespräch keine Rede. Fraglich ist dann natürlich auch, ob das Gewebestück anwächst oder abgestoßen wird.

Sollte ich und mein schwaches Herz das alles überstehen, soll ich einen Tag in der Intensivstation verbringen.

Dann werde ich etwa drei Tage weder sprechen, trinken noch schlucken können und künstlich ernährt werden. Nach dieser Zeit werde ich sprechen und schlucken, aber natürlich nicht durch den Mund Nahrung aufnehmen können, sondern weiterhin künstlich ernährt werden müssen. Wie lange, habe ich vergessen.

Geplant ist ein Klinikaufenthalt von mindestens zehn Tagen nach der OP, realistischer sind allerdings, was ich so ergoogelt habe, drei Wochen.

Allein, allein …

Nun verabschiedete sich Dr. Schraven und ich sollte noch Blut für das Labor abgenommen bekommen. Diesmal bin ich wieder an eine sehr einfühlsame Schwester geraten, die zwar die Ader nur andeutungsweise und sehr zaghaft klopfte, aber ihr gelang es, die Vene gut zu treffen und Blut zu ziehen. Wir freuten uns beide darüber, denn natürlich habe ich ihr auch das Ergebnis der Schwester Rabiata an meinem linken Arm gezeigt, der nun bis zur Gewebeentnahme für die Zungentransplantation unbedingt von Nadeln verschont bleiben soll, so Dr. Schraven.

Ich habe Vera-Marleen noch nie so erlebt. Sie sagte kein Wort mehr, hatte einen Schock. Ich selbst war etwa in der Stimmung eines Glücksspielers: Entweder geht es gut oder nicht. Ich habe ja nichts zu verlieren, sondern nur etwas zu gewinnen, nämlich den Krebs loszuwerden. Der eigentliche Schock kam bei mir erst ein paar Tage später.

Und je mehr ich mich jetzt informiere, desto größer wird auch meine Angst, die Operation wegen meiner Vorerkrankungen, insbesondere meiner Herzschwäche, nicht zu überleben. Ich habe Angst vor einem Herzstillstand während oder nach der OP. Ich fühle mich wie ein Feigling, der nicht in den Ring steigen will …

Michel Menge’s YouTube-Kanal

Auf youTube habe ich Michel Menge’s Kanal gefunden und werde mir all seine Videos seiner Playlist über den Verlauf seines Zungenkrebses anschauen, um vielleicht aus seinen Erfahrungen profitieren zu können oder zumindest eine realistische Vorstellung darüber zu bekommen.

Besonders beeindruckt hat mich der Video-Bericht seiner Ehefrau Nadja über den Verlauf der Operation. Ich hätte gedacht, dass man gerade auf der Intensiv-Station besonders “bemuttert” wird und nicht, dass gerade das Gegenteil der Fall ist.

Und ich war bis heute auch fest davon überzeugt, dass man in einer Klinik keine Schmerzen erleiden muss, sondern mit entsprechenden Schmerzmitteln so versorgt wird, dass man schmerzlos ist.

Das war wohl eine Fehleinschätzung, die ich nun erst mal für mich verarbeiten muss. Auch Vera-Marleen ist nach diesem Bericht von Nadja erst mal nicht in der Lage, heute Michel’s Playlist weiter zu schauen.

Da ich – wie mir ein Arzt mal bestätigt hat – extrem schmerzempfindlich bin, ist der Gedanke, keine ausreichenden Schmerzmittel zu bekommen, der Horror für mich.

Schmerzempfindlichkeit nennt man Hyperpathie und hier kommt mir zugute, dass ich mal altgriechisch lernen musste (Betonung liegt auf musste). “Hyper” bedeutet auf griechisch übermäßig und “pathos” leiden.

Dass ich allerdings an dieser Krankheit leide, bezweifel ich. Ich bin einfach nur schmerzempfindlicher als der Durchschnitt. So formulierte es damals auch der Arzt.

Je mehr Videos von Michel und Nadja anschaue, desto größer werden meine Zweifel, dass ich diese Operation und nachfolgenden Komplikationen in meinem Alter überhaupt überstehen kann. Ich bin bei Michels zweitem Video, das er nach der OP und Strahlen- und Chemotherapie gemacht hat, angelangt. Mehr geht heute nicht mehr. Mehr verkraften wir nicht, Vera-Marleen und ich.

Vielleicht sollte ich die Operation abblasen und mich mehr auf die Möglichkeiten einer Immuntherapie oder sogenannten “Targeted Therapy” konzentrieren, dazu googeln und mich ärztlich beraten lassen. Wieviel Lebenszeit hätte ich, wenn ich nichts machen lasse? Wäre diese  womöglich kürzere Lebenszeit aber vielleicht wertvoller als eine 6-monatige Tortour mit unbeschreiblichen Schmerzen? Wer kann mir bloß darauf eine Antwort geben?

Ich bin heute ziemlich verzweifelt …

Heute, am Dienstag, dem 17. August habe ich bis kurz vor 11 Uhr geschlafen, denn am 19. August soll ich ja zu einer für mich unmenschlichen Zeit, nämlich um 7 Uhr in der Klinik sein. Zu einer sage und schreibe siebeneinhalbstündigen “OP-Vorbereitung” mit “Untersuchungen, Aufklärungen und Narkosegesprächen”, so die Patienteninformation. Dazwischen wahrscheinlich stundenlanges Warten, so meine Vermutung. Pati, patim, patis, patit, patimus, patitis, patiunt …

Von oder wohl eher vielleicht irgendwann zwischen 13:30 Uhr bis 14:30 Uhr dann die Vorstellung meiner Wenigkeit bei Professor Dr. Robert Mlynski oder seinem Vertreter, Dr. Sebastian Schraven, der mich auch operieren wird. Da ich nicht der einzige geduldig wartende Patient sein werde, sondern mit mir zwischen fünf bis zehn andere Patienten warten werden, gehe ich rein rechnerisch mal von einer sechs- bis zwölfminütigen Stippvisite aus, auf die ich dann im schlimmsten Fall 54 Minuten Wartezeit in Kauf nehmen muss.

So jedenfalls steht es in der mir ausgehändigten, schön aufgemachten Patienteninformation, auf der man sogar Platz hat, sich Notizen zu machen.

Aber seit gestern kommen mir immer mehr Bedenken, insbesondere wegen dem geplanten Luftröhrenschnitt (Tracheotomie) mit dem Risiko eines Herzstillstandes, Verschluss oder Verrutschen der Kanüle, Verblutung, Luftansammlung mit Zusammendrücken der Lunge, Wundinfektion, Verschluss und Verengung der Luftröhre, Speichelansammlung, um einige Risiken aufzuzählen.

Trotz meiner Herzinsuffizienz geht es mir gerade richtig gut. Ich habe keine Probleme mit dem Herzen, alles wäre so schön, wenn der Krebs nicht wäre. Deshalb frage ich mich:

Wie lange könnte ich jetzt so weiterleben, wenn ich mich nicht operieren lasse?

Nur ein paar Monate oder vielleicht ein paar Jahre? Wenn es ein paar Jahre wären, würde ich eher den Weg gehen. Aber ich denke mal, keiner wird mir diese Frage beantworten wollen oder können.

Vera-Marleen und ich haben auch keine Familie mehr, die man um Rat fragen kann oder die einen seelisch unterstützt. Das ist das Schlimmste, finde ich. Man ist ganz allein mit seiner Entscheidung.

Ich denke auch daran, wie gut es mein Gianni hatte. Einen Hund kann man durch Einschläfern von seinen Qualen erlösen. Als Mensch ist man dazu verdammt, einen Leidensweg gehen zu müssen.

Wieder einen Tag mit Informieren und Nachdenken verbracht. Ich habe mir eine SWR-Doku angeschaut über Immuntherapie (findest du auf youTube mit der Suche “SWR Doku Immuntherapie” oder nutze diesen Link.)

Beim Nachdenken wunderte ich mich auch, dass ich keine schriftliche Empfehlung des Tumorboards, die am 13. August stattgefunden haben soll, erhalten habe. Da hätte ja auf jeden Fall bei meinen Vorerkrankungen ein Kardiologe anwesend gewesen sein müssen. Ich kann ich mir allerdings nicht vorstellen, dass das der Fall war.

Was mich heute am meisten beschäftigt ist eigentlich, warum meine Zunge seit längerem nicht mehr weh tut. Ich hatte ja mal ergoogelt, dass die Schmerzen beim Zungentumor dann entstehen, wenn er wächst und gegen das gesunde Gewebe drückt.

Wäre nun die Schlußfolgerung, dass mein Tumor nicht mehr wächst, vielleicht im Wachstum stagniert oder sogar freiwillig abstirbt?

Das nennt man Spontanremission und kann mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:100.000 oder mehr, in ganz seltenen Fällen also, passieren.

Wenn mir doch nur jemand diese Frage beantworten könnte!

Ich glaube an …

die Heilkraft der Kamille.

Ich spüle meinen Mund seit dem ich den Knubbel (Krebs) an der Zunge habe, täglich und teilweise auch nachts mehrmals mit Kamillentee. Das senkt bei mir irgendwie das Schmerzempfinden.

Und ich glaube einfach daran, dass Kamille hilft, das Wachstum der Krebszellen zu verlangsamen. Verrückt? Macht nix.

Da ich ansonsten kein religiös gläubiger Mensch bin, tut es mir gut, wenigstens daran zu glauben.

Quelle: https://www.kraeuterhaus.de/blog/die-kamille/

Wieder sieben Stunden in der Klinik

Heute, am 19. August 2021, war der sogenannte “OP-Vorbereitungstermin”. Der Ablauf war wieder ähnlich wie bei dem “Panendoskopie-Vorbereitungstermin”. Erst zur Anmeldung, dann zur Registrierung für die Stationsaufnahme, bei der zum wievielten Mal auch immer ein und derselbe Fragebogen ausgefüllt werden musste.

Weiter ging es zum Labor für ein EKG, Blutdruckmessung und Messung des Sauerstoffgehaltes des Blutes, der nicht korrekt sein konnte, weil das Blut herausgedrückt wurde. Auch die Blutdruckmessung ist im Grunde eine Farce. Ich messe täglich zweimal meinen Blutdruck mit einem professionellen Messgerät und hätte viel aussagekräftigere Werte auf meinem Handy in einer App, doch dafür hat sich noch nie jemand interessiert. Als ich einmal diese Werte per eMail als beigefügte pdf an meine Hausärztin geschickt habe, als sie noch bei Nephrocare angestellt war, wurde das aus Datenschutzgründen untersagt. Was soll man dazu noch sagen.

Atemlos

Im weiteren, diesmal gut organisiertem Ablauf, erfolgte das Narkose-Aufklärungsgespräch mit einem Narkosearzt, einem Anästhesisten. Das war diesmal im Gegensatz zum letzten Anästhesisten ein junger, sehr sympathischer und kommunikativer Arzt, der mich beziehungsweise uns ausführlich aufgeklärt hat. Er stellte auch fest, dass das EKG hervorragend war und der Herzschrittmacher in dieser Zeit kein einziges Mal starten und eingreifen musste.

Auf meine Befürchtungen, ob mein Herz und Kreislauf diese 8stündige OP überhaupt überstehen könnte, beruhigte er uns, indem er uns erklärte, dass es im Grunde egal ist, ob eine OP eine Stunde oder acht Stunden dauert und dass man während einer Operation, was Herz und Kreislauf betrifft, bei Anästhesisten, die sekundenschnell mit entsprechenden Maßnahmen reagieren können, ohnehin in den besten Händen ist. Er erklärte uns weiter, dass meine Vollnarkose während der Panendoskopie bis auf kurze Blutdruckabfälle ohne Probleme verlaufen sei.

Im weiteren Verlauf des Aufklärungsgespräches wollte ich wissen, ob ich bei dieser Narkose wieder das unangenehme Gefühl einer Ohnmacht durchleben muss und wollte wissen, warum ich vorher sagen sollte, wann die Bewusstlosigkeit einsetzt.

Er erklärte mir, dass man zunächst über eine Atemmaske reinen Sauerstoff einatmet, damit die Lunge in der Lage ist, den Atemstillstand für etwa fünf Minuten zu überbrücken, wenn die Bewusstlosigkeit eintritt. Während man atmet, wird gleichzeitig das Betäubungsmittel über den Venenzugang eingeleitet. Wenn man dann also sagt “Jetzt”, haben die Anästhesisten etwa fünf Minuten Zeit, Beatmungshilfsmittel, wie den Tubus, in der Luftröhre zu platzieren.

Übrigens werden Venenzugänge am rechten Arm, einem Fuß und an der Leiste sigar ein Dreierzugang für Infusionen gesetzt.

Ängste genommen

Dieses ausführliche Narkose-Aufklärungsgespräch hat uns wirklich sehr viele Ängste genommen.

Im Anschluß daran sollen wir auf die Station 1 gehen, wo ein Aufklärungsgespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin stattfinden sollte sowie wieder eine Blutentnahme und ein Corona-Test aufgrund der steigenden Inzidenzzahlen in Rostock.

Nach einer gerade noch akzeptablen Wartezeit wurden wir ins HNO-Untersuchungszimmer gerufen. Dort wollte mir eine Schwester, die beim letzten Mal mehrere Fehlversuche bei der Blutentnahme hatte, mir erneut Blut abnehmen. Das habe ich und Vera-Marleen vehement verhindert und so hat die junge Fachärztin Ketino Vashakidze aus Georgien zugesagt, dass sie das übernimmt. Oder war sie Assistenzärztin. Ich glaube, Fachärztin auf ihrem Namensschild gelesen zu haben. Das wäre in der Arzthirarchie über der Assistenzärztin. Weiter oben in der Hirarchie sind dann Oberärzte und leitende Oberärzte und innen sowie der Chefarzt oder die Chefärztin als Klinikdirektorin.

Sie musste sich allerdings erst mal in meinen Fall einlesen, da sie aus der Poliklinik nebenan kam, wenn ich das richtig verstanden habe, und nicht in der Otto Körner Klinik arbeitete. Keine Ahnung, warum gerade sie und kein anderer Facharzt, der in meinen Fall schon eingearbeitet war.

Das Blut hat sie schmerzfrei und ohne Hämatom von meinem rechten Handrücken abgenommen. Das war perfekt! Anschließend hat sie meinen Mundraum untersucht und den Tumor mit einer Kamera aufgenommen, so dass wir ihn auch das erste Mal überhaupt auf einem Bildschirm real sehen konnten. Es war eine Schwellung im ganz hinteren, sehr unzugänglichen Teil der Zunge mit einer hellen Oberfläche mit unebener Struktur.

Sie untersuchte auch mit einem Endoskop durch meine Nase den hinteren Rachenraum und den Tumor, glaube ich. Das war zwar recht unangenehm, aber nicht schmerzhaft.

Den Corona-Test, den ich trotz Impfnachweis über mich ergehen lassen musste, empfand ich in der Nase als äußerst unangenehm.

Nichts für Feiglinge

Meine Hoffnung auf eine Spontanremission, also darauf, dass sich der Tumor vielleicht zurückgebildet hat oder gar abgestorben ist, hat sich leider nicht erfüllt. Im Gegenteil, er scheint gewachsen zu sein und sitzt so ungünstig, dass man ihn nur von einem Halsschnitt aus wegoperieren kann.

Das Arztgespräch mit der georgischen Fachärztin hat mir alle Fragen, die ich zu diesem Zeitpunkt hatte, beantwortet.

Da um 13:30 Uhr, also erst etwa zwei Stunden später “die Vorstellung bei Prof. Mlynski, dem Direktor der Klinik” vorgesehen war, verließen wir mit Absprache der Ärztin die Klinik, um einen Kaffee in einem Straßencafe in der Nähe zu trinken. Zwischendurch rief sie an und informierte uns, dass die “Vorstellung” schon um 13 Uhr stattfindet.

Ich hatte vermutet, dass es sich bei der Vorstellung um ein persönliches Gespräch im Zimmer des Direktors handelt.

Die “Vorstellung” war aber wörtlich zu nehmen und sehr gewöhnungsbedürftig. Es war eher eine Visite, die im HNO-Behandlungszimmer stattfand. Ich sollte mich auf den Behandlungsstuhl setzen, Vera-Marleen auf einen Stuhl neben dem Waschbecken und dann stand die Karawane, die dem Professor folgte, je nach Rang näher oder weiter von ihm entfernt. So habe ich das jedenfalls wahrgenommen.

Ganz außen die Assistenzärztin Sara Maria van Bonn, die mir zulächelte, in der Nähe des Direktors die georgische Fachärztin, den Rest der Gruppe habe ich nicht wahrnehmen oder zuordnen können. Die Personen, die an einer Visite teilnehmen, werden einem ja auch nicht vorgestellt. Ich hatte auch irgendwie keine Zeit, alle Personen zu scannen.

Und noch ein Häppchen

Das ging dann auch ziemlich schnell über die Bühne: Film mit meiner Zunge ansehen, dann sich selbst ein Bild von meiner Zunge machen und die Aufforderung, Fragen zu stellen. Er erklärte noch kurz, dass die Wunde am Unterarm von der Gewebeentnahme für die Transplantation an die Zunge mit einem Hautstück vom Bauch verschlossen wird. Wieder etwas, was so häppchenweise nachgeschoben wurde.

Meine Frage, wann ich wieder fit sein werde, mit “in etwa einem Jahr” zu beantworten, empfand ich als persönliche Katastrophe.

Dann war die Visite auch schon Vergangenheit.

Für mich war das eine eher unangenehme Angelegenheit, die nicht auf Augenhöhe stattgefunden hat, sondern einen als Patienten sozusagen dahin verwiesen hat, wo man hingehört: Unterhalb der Augenhöhe der Ranghöheren in einer Klinik.

Insgesamt war diese OP-Vorbereitung allerdings besser als die vorangegangene und hat meine, nein, unsere Zweifel an der Operation letztendlich beseitigt. Die Angst bleibt natürlich.

Countdown: Noch drei Tage

Heute waren wir im Gespensterwald an der Ostseesteilküste von Nienhagen, um Bäume zu umarmen und dadurch Kraft zu tanken. Es war ein schöner, erholsamer und beruhigender Nachmittag. Leider hat sich Nienhagen in den Sommermonaten zum Eldorado für Radfahrer entwickelt, so dass es keinen richtigen Spaß macht, zu Fuß auf den Wegen durch den Gespensterwald zu gehen. Zu zweit nebeneinander zu gehen ist unmöglich, ein Radfahrer nach dem anderen, meist in Gruppen, rauscht von hinten und von vorne sehr dicht an einem vorbei, man fühlt sich wie auf einer Autobahn. Erholung im Wald ist etwas Anderes. Und abseits des Weges muss man aufpassen, nicht in menschliche Hinterlassenschaften zu treten.

Ich bin auch leidenschaftlicher Radfahrer, aber während der Urlaubszeit zu Fuß im Gespensterwald ist mehr als gefährlich. Schade.

Noch zwei Tage

Ich habe bis 10 Uhr geschlafen. Nach meiner inneren Uhr und der Normalzeit wäre das ja auch erst 9 Uhr. Draußen scheint die Sonne. Es könnte so schön sein, hätte ich nicht diesen Tumor in der Zunge. Ich wäre heute am liebsten nach Warnemünde gefahren und am beziehungsweise im Wasser entlang gelaufen.

Doch im Garten muss noch der Rasen gemäht und Kartoffeln geerntet werden. Deshalb haben wir dort den Nachmittag verbracht. Ich habe den Rasen gemäht und Vera-Marleen hat die Kartoffeln geerntet. War auch ein schöner Nachmittag bei bestem Wetter. Nicht zu warm und Sonnenschein.

Der letzte Tag …

… wird schneller vorübergehen als mir lieb ist. Ich komme mir heute vor, wie in der Todeszelle und da fällt mir spontan Barry Ryan’s Song ein “Zeit macht nur vor dem Teufel Halt”.

Ich werde die Zeit heute mit Vera-Marleen nutzen, dem Mensch, der 41 Jahre treu an meiner Seite stand. Länger, als irgend ein Mensch aus meiner Familie, weder Vater, Mutter noch Schwester. Deshalb ist der Satz “Die Zeit, die trennt nicht nur für immer Sohn und Vater” wie ein Hohn für mich, denn sie trennt uns schon fast 41 Jahre, obwohl mein Vater noch lebt. Aber das ist eine andere traurige Geschichte.

Songtext “Zeit macht nur vor dem Teufel Halt”

Die Zeit, die trennt nicht nur für immer Tanz und Tänzer
Die Zeit, die trennt auch jeden Sänger und sein Lied
Denn die Zeit ist das, was bald geschieht

Die Zeit, die trennt nicht nur für immer Traum und Träumer
Die Zeit, die trennt auch jeden Dichter und sein Wort
Denn die Zeit läuft vor sich selber fort

Zeit macht nur vor dem Teufel Halt
Denn er wird niemals alt
Die Hölle wird nicht kalt
Zeit macht nur vor dem Teufel Halt
Heute ist schon beinah’ morgen

Die Zeit, die trennt nicht nur für immer Sohn und Vater
Die Zeit, die trennt auch eines Tages dich und mich
Denn die Zeit, die zieht den längsten Strich

Zeit macht nur vor dem Teufel Halt
Denn er wird niemals alt
Die Hölle wird nicht kalt
Zeit macht nur vor dem Teufel Halt
Heute ist schon beinah’ morgen
Die Zeit, alle Zeit, Ewigkeit
Zeit macht nur vor dem Teufel Halt
Denn er wird niemals alt
Die Hölle wird nicht kalt
Zeit macht nur vor dem Teufel Halt
Heute ist schon beinah’ morgen
Zeit macht nur vor dem Teufel Halt
Denn er wird niemals alt
Die Hölle wird nicht kalt
Zeit macht nur vor dem Teufel Halt
Heute ist schon beinah’ morgen
Zeit macht nur vor dem Teufel Halt
Denn er wird niemals alt
Die Hölle wird nicht kalt
Zeit macht nur vor dem Teufel Halt
Heute ist schon beinah’ morgen

Ich berichte weiter …

Ich mache den größten Teil meiner Erfahrungen mit dem Zungenkrebs öffentlich, damit andere von meinen Erfahrungen profitieren können. Man findet nämlich sehr wenig Erfahrungsberichte über diese sehr seltene Krebsart im Internet.

Schaue also immer mal wieder in diesen Artikel rein, wenn dich dieses Tabu-Thema “Zungenkrebs” interessiert.

Nur sehr persönliche Bereiche, wie mein Schmerztagebuch und Krankentagebuch im Detail werde ich meinen Patrons beziehungsweise Steady-Mitgliedern vorbehalten.

Die Fahrt ins Ungewisse

Am 23. August 2021 war es dann soweit. Um 7:30 Uhr stand das per App am Vortag bestellte Taxi vor der Tür und es ging im Berufsverkehr in die Otto Körner-Klinik. Dort begab ich mich auf die Station 1 und bekam das Zimmer 1 zugewiesen.

Dann habe ich mein WLAN eingerichtet, das in der Otto Körner-Klinik für die Patienten kostenlos ist.

Das Zimmer hatte ich zu diesem Zeitpunkt ganz allein für mich. Dann hat eine Schwester meinen Bauch für den Eingriff für die PEG-Anlage rasiert und mir avisiert, dass ich nach der OP in ein anderes Zimmer kommen werde.

Gegen halb zehn ging es dann mit einem Krankentransport in einen anderen Teil der weitläufigen Universitätsmedizin Rostock zur Chirurgischen Endoskopie.

Für den Venenzugang haben die Ärzte beziehungsweise Anästhesistinnen drei Versuche benötigt. Die Vorbereitungen mit Infusionen von Antibiotika sowie Betäubungsmittel, Sauerstoffzufuhr und Anschluß des Viatalmonitors hat etwa eine halbe Stunde in Anspruch genommen. Es war wegen meiner (von mir vermuteten) Wallnuss-Allergie etwas komplizierter als gewöhnlich, da sie ein anderes Narkosemittel nehmen mussten.

Folgende Medikationen wurden bei mir angewandt: XYLOCAINSPRAY 2 Hüb., UNACID 3 g, Propofol 180 mg, STEROFUNDIN, 500 ml und TRAMAL, 100 mg.

Die OP der PEG, also der Magensonde für die künstliche Ernährung, hat nur etwa 15 Minuten gedauert und ich habe unter Kurznarkose nichts davon mitbekommen.

Danach war ich wieder voll da, aber recht wacklig auf den Beinen und musste in einem fast menschenleeren Gang eine Stunde warten, da ich wohl vergessen wurde, wieder abgeholt zu werden.

Als ich einen Kreislaufzusammenbruch bekam, ging dann aber alles sehr schnell mit dem Transport von der Chirurgischen Endoskopie der Universitätsmedizin zurück zur Otto Körner-Klinik.

Glücklicherweise kam gerade eine Ärztin vorbei, als mein Kreislauf zusammengebrochen war. Sonst hätte mich da vielleicht niemand unbemerkt, so menschenleer wie der Gang war.

Zurück in der Otto-Körner-Klinik wurde ich ins Zimmer 4 verfrachtet und an einen Tropf gehängt. Irgendwie war ich eingeschlafen, als gegen 15 Uhr plötzlich Vera-Marleen an meinem Bett stand. Damit hatte ich nun gar nicht gerechnet. Um so schöner war dieser Überraschungsbesuch.

Abendessen habe ich an diesem Tag nicht bekommen, obwohl man zwei Stunden nach einer PEG-Anlage essen darf. Da ich aber immer wieder eingeschlafen bin, habe ich auch nicht nachgefragt.

Opioid Tramal gegen die starken Schmerzen

Am nächsten Morgen kam eine sehr resolute Krankenschwester und hat die PEG – wie vorgeschrieben – gelockert und um 360 Gad gedreht. Dabei entstand ein solch extrem starker Schmerz, dass ich laut geschrien habe. Unbeeindruckt davon hat sie jedoch weiter gedreht.

Später habe ich erfahren, dass sie fachlich sehr gut, aber wenig einfühlsam ist. Glücklicherweise war das auch das einzige Mal, dass ich es körperlich mit ihr zu tun hatte.

Nach dieser schmerzhaften Aktion habe ich ein Schmerzmittel bekommen, wurde allerdings vorher gefragt, ob ich alkoholkrank oder drogenabängig sei. Das ist wohl üblich.

Irgendwie drückte die PEG seit dieser Aktion aber nicht mehr so unangenehm im Bauch. Trotzdem traute mich auch nicht aufs Klo für das “große Geschäft”, weil bei diesem Vorgang ja Druck im Bauch entsteht.

Auch an diesem 24. August hat mich Vera-Marleen wieder besucht.

Abends wurden meine Schmerzen im Bauch wieder unerträglich und ich habe 15 ml Tramal, ein starkes Opioid bekommen.

Später am Abend kamen die Schmerzen allerdings wieder und eine sehr nette Nachtschwester, wenn ich mich richtig entsinne war es Schwester Birgit, hat mir erst mal eine 400 ml Iboprofen-Tablette gegeben und gesagt, dass sie mich wieder an den Tramal-Tropf hängt, wenn die nicht wirken sollte.

Vom langen Liegen tat mir nun auch noch der Rücken weh.

Am nächsten Tag, dem 25. August, wurde der Venenzugang an der rechten Hand entfernt, weil er dicht war. Die Legung eines neuen Zugangs und die tägliche Blutabnahme dauerte dreizig Minuten. Und man glaubte mir nicht, dass die Ärzte angeordnet hatten, dass der linke Arm für die Blutentnahme tabu ist.

Körpertemperatur war 36,8 Grad, 400 mg Ibutrofen und der Stationsleiter, Christian Arndt, versorgte an diesem Tag die PEG-Sonde. Absolut schmerzlos.

Gegen Mittag kam ein “Fischgräten-Notfall” ins freie Bett, ein Pole.

Nochmal Ibutrofen gegen die Schmerzen an dem PEG-Zugang.

Am Nachmittag hat Vera-Marleen mich wieder besucht. Das hat mir gut getan und ich habe die Schmerzen ein wenig vergessen. Als sie am Abend dann aber wieder stärker wurden, hat der Arzt, der Nachtschicht hatte, meinen Bauch gedrückt und die Operationswunde abgefühlt und sein Okay für die morgige Operation gegeben.

Am Abend wurde dann von einer Famulantin nochmals Blut abgenommen. Das Wort kannte ich vorher auch nicht. Es sind junge Medizinstudentinnen oder Medizinstudenten, die ein vier-monatiges Praktikum (Famulatur) absolvieren.

Ich habe mich danach noch für die Operation am anderen Morgen vorbereitet, indem ich mich rasiert und gewaschen habe.

Mein Bettnachbar, der Pole mit der Fischgräte, schlief schon und schnarchte so vor sich hin. Ich wurde auch müde und las nochmal Vera-Marleen’s WhatsApp-Nachricht, wie wichtig jetzt meine Psyche und mein Wille sei.

Dann schaute ich mir nochmal das Schutzengelbärchen an, das Vera-Marleen mir als Glücksbringer für die schwere Operation geschenkt hat und schlief irgendwann ein …

Die Mammut-Operation

Es war der 26. August 2021, an dem in einer zeitlich mit acht Stunden geplanten Operation das Krebsgeschwür hinten links in der Zunge operativ beseitigt werden sollte, dann ein Teil aus meinem Unterarm innen im Handgelenk – der Radialis-Lappen – herausgeschnitten und an die Zunge als Ersatz des wegoperierten Gewebes (etwa 30% der Zunge) implantiert werden sollte. Aus einem Schnitt des inneren Unterarms direkt im Anschluss zur “Implantat-Wunde” bis zur Armbeuge wurden Adern (und Nerven?) entnommen, die dann mikrochirurgisch zwischen Implantat und Zunge angesetzt wurden, um Zunge und Implantat für die Blutversorgung (und mit Nerven?) zu verbinden.

Zudem sollte ein Luftröhrenschnitt gemacht und mein Hals auf der linken Seite vom Ohr bis zur Mitte des Halses aufgeschnitten werden, um sämtliche linksseitigen Lymphknoten zu entfernen und vom Hals aus ach an den hinteren Operationsbereich der Zunge heranzukommen.

Ich hoffe, ich habe das laienmäßig auch richtig erklärt.

Ich wurde aufgefordert, die ätzenden und umstrittenen Thrombosestrümpfe anzuziehen, ich glaube, auch eine spezielle OP-Unterhose. Aber irgendwie ist die Erinnerung auch an die Zeit kurz vor der OP ziemlich verschwommen.

Wenn ich mich richtig erinnere, bin ich so gegen halb acht mit meinem Bett von zwei Schwestern abgeholt und in den OP-Bereich gefahren worden. Ich kannte den engen, verwinkelten Weg ja noch von der Endoskopie.

Es ging wieder durch die Schleuse und dann in den Operationssaal. Auf den Operationstisch bin ich noch selbst gekrabbelt und dann wurde es auch gleich sehr geschäftig um mich herum, nachdem das Team um Dr. Sebastian Schraven sich kurz vorstellte und mir den weiteren Ablauf erklärte.

Die Narkoseprozedur war genauso wie bei der Endoskopie, über eine Mund- und Nasenmaske bekam ich erst Sauerstoff und dann ein Narkosegas und dann war ich weg.

Wie ich später erfuhr, verlief die Operation ohne Komplikationen “in störungsfreier Intubationsnarkose” und war nach sieben Stunden, also eher als geplant, gegen 15 Uhr beendet.

Ich wurde danach ohne Bewusstsein in die fünf Minuten entfernte Intensivstation der Universitätsmedizin gefahren und wachte dort allerdings in einem großen Aufwachraum auf.

Zunächst war ich orientierungslos, dachte es sei tief in der Nacht …

Plötzlich schrie eine Frau wie am Spieß und rief, dass sie Schmerzen hat und nach Hause will. Das Geschreie ging gefühlte Stunden weiter. Sie musste mal, wollte aber nicht in einen untergeschobenen Topf urinieren oder hat es nicht kapiert, dass da so ein Topf ist. Das war für mich jedenfalls die Hölle, dass ich dieses Gebrülle anhören musste und nicht mehr schlafen konnte.

Ich suchte mit einer leichten Kopfbewegung nach einer Uhr, aber ich sah nur schwache Deckenbeleuchtungseinheiten und war weder in der Lage, mich aufzusetzen noch den Kopf mehr als ein paar Zentimeter zu bewegen.

Über mir hing ein Notrufknopf. Ich kann mich aber überhaupt nicht erinnern, ob und wann ich ihn betätigt habe und ob ich nach dem Luftröhrenschnitt überhaupt sprechen konnte. Ich glaube, die Kommunikation fand über ein Klemmbrett statt.

Irgendwann übermittelte mir eine Schwester, dass es 16 Uhr sei.

Immer wieder bin ich eingeschlafen und hatte sogar kurze Halluzinationen.

Genau kann ich mich aber jetzt fünf Wochen nach der OP an Einzelheiten auf der Intensivstation und / oder dem Aufwachraum nicht mehr entsinnen und in den Tagen danach war ich zu geschwächt, um diese Erinnerungen festzuhalten.

Ich kann also nur das beschreiben, an das ich mich jetzt fünf Wochen nach der OP noch entsinne.

Später, nach gefühlten acht bis zehn Stunden, konnte ich meinen Kopf etwas bewegen und fand eine Uhr an der Wand. Die zeigte etwa 7 Uhr an, aber ich wusste nicht, ob es 7 Uhr morgens oder 19 Uhr abends war, da ich irgendwie kein Zeitgefühl hatte. Eine Digitaluhr wäre in Aufwachräumen oder auf Intensivstationen die sinnvollere Lösung.

Die Zeit wollte einfach nicht verstreichen, es kam mir wie eine Ewigkeit vor und irgendwie fehlt mir die Erinnerung an die Zeit, bis ich wieder in die Otto-Körner-Klinik gefahren wurde, irgendwann am Morgen des 27. August 2021.

Tag 1 nach der OP

Mit meinen WhatsApp-Nachrichten zwischen mir und Vera-Marleen kann ich diesen Freitag, den 27. August 2021 so rekonstruieren, dass ich gegen Mittag ein extrem starkes Durstgefühl hatte, ich aber nicht trinken durfte. Und mir wurde nichts gegeben, dass ich meinen Mund anfeuchten konnte.

Ich hatte sogar Halluzinationen, sah Melonen und eisgekühlte Getränke vor mir.

Gegen 15 Uhr war Vera-Marleen zu Besuch. Die gesamte Kommunikation ging nur über Schreiben auf Klemmbrett. Auch mit den Schwestern. Dummerweise habe ich kein Datum draufgeschrieben und muss nun mühsam die Texte den jeweiligen Tagen zuordnen, um alles zu rekonstruieren.

Ich fand heraus, je größer und krakeliger meine Schrift war, desto zeitnäher zur OP war der Text geschrieben.

Tag 1 nach der OP

Während Vera-Marleen’s Besuch bin ich eingeschlafen. Als ich gegen 20:30 Uhr aufwachte, war sie schon wieder zu Hause.

An meinen Zetteln kann ich erkennen, dass ich über die PEG (Magensonde) ernährt wurde, auch mit Wasser und dass da noch Drainage-Tröpfe an meinem Hals hingen und ich Infusionen gegen Schmerzen und Entzündungen bekam, wenn ich das richtig verstanden habe. Und ich habe Kühl-Akkus auf der Stirn liegen gehabt, wodurch die Schmerzen gelindert wurden. Ich konnte die Schmerzen auch gar nicht richtig lokalisieren. Sie waren überall: Am Hals, an der Zunge, an den Lippen, am linken Arm, am rechten Bein, am Bauch.

Tag 2 nach der OP

Am 28. August, dem zweiten Tag nach der OP, einem Samstag, wachte ich gegen ein Uhr nachts auf, weil ich von Obst, Wassereis, Wassermelonen und erfrischendem Mineralwasser geträumt habe.

Stattdesen gab es nur solche “Lippenbefeuchter” nenne ich sie mal, mit denen ich die Lippen anfeuchten durfte.

Das Schlimmste für mich: Ich durfte nicht trinken.

Wasser und Nahrung wurde mir über die PEG-Magensonde zugeführt.

Meine Lippen fühlten sich an wie Reibeisen und brannten. Aber niemand hat sich darum gekümmert. Ich habe Vera-Marleen dann gebeten, mir einen Labello-Stift zu besorgen. Mit Kirschgeschmack.

Um 15 Uhr war Vera-Marleen wieder da. Ich hätte vorher niemals gedacht, dass man sich derart über Besuch freut, wenn man im Krankenhaus liegt.

In der Nacht war Feuerwerk und Halli Galli draußen und viele laute Betrunkene.

Tag 3 nach der OP

Am Sonntag, dem 29. August, hatte ich in der Nacht derartige Schmerzen im Rücken, dass ich mich im Bett aufrecht hingesetzt habe.

Und mein Durstgefühl wurde immer unerträglicher. Später habe ich mich an die Bettkante gesetzt und bin auch schon im Flur entlang gelaufen mit dem Ständer mit den ganzen Infusionsbeuteln. Ein diensthabener Arzt – (oder war es der Stationsvorsteher? Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern) – hat mir nämlich versprochen, dass ich die gehassten Thrombosestrümpfe ausziehen darf, wenn er mich länger im Flur laufen sieht.

Ach ja, ich hatte schon morgens das absolute Schmerzprogramm hinter mir: Herausziehen der Drainageschläuche aus dem Hals und Setzen eines neuen Tubus in den Luftröhrenschnitt. Das waren Schmerzen 10 in der Skala von 1 bis 10, auch wenn es nur eine halbe Minute war. Mittags war ich von diesem “Programm” total geschafft.

Dann beauftragte ich Vera-Marleen zu ihrem Besuch am Montag eine Melone, Zitronen, einen griechischen Joghurt und Apfelmus mitzubringen, denn mein Durst und Heißhunger auf erfrischende Sachen war unbeschreiblich.

In den Vorgesprächen war mir versprochen worden, dass ich etwa am dritten Tag eine Joghurt bekommen würde, aber ich wurde weiter mit dieser braunen “Energy”-Pampe im Infusionsbeutel über die PEG ernährt und bekam weder Wasser zum Trinken noch Kamillentee.

Da ich unbedingt oral, also über meinen Mund trinken wollte, wurde mir für Montag von einem Stationsarzt ein sogenannter Schlucktest angeboten. Dort wird mit einer Kamera, die über die Nase in den Rachen eingeführt wird, ein Video während des Schluckens aufgenommen (FEES = fiberoptische endoskopische Evaluation des Schluckens), das Auskunft darüber gibt, ob eine Schluckstörung vorhanden ist, bei der Flüßigkeit oder Nahrung in die Luftröhre oder Lunge gelangt anstelle in die Speiseröhre.

Bis dahin solle ich schon mal Bewegungsübungen mit der Zunge machen.

2.500 Schritte hatte ich an diesem Tag geschafft …

… und war die ätzenden Thrombosestrümpfe los.

Immer wieder bildete sich Schleim in meinem Hals oder in den Bronchien, der mit einer Maschine von einer Schwester abgesaugt werden musste. Er hatte eine rötliche Farbe, war also mit Blut vermischt.

Am Abend habe ich stark geschwitzt, hatte mit 37,8 Grad leicht erhöhte Körpertemperatur und eine Ärztin schaute bis Mitternacht immer wieder mal nach mir.

Tag 4 nach der OP

Heute, am Montag, dem 30. August und dem vierten Genesungstag, sollte ja eigentlich im 8 Uhr ein sogenannter Schlucktest stattfinden, damit gewährleistet ist, dass bei einer von mir frühzeitig gewünschten Flüssigkeitsaufnahme über den Mund kein Eindringen der Flüssigkeit über die Mund- oder Nasenhöhle oder indirekt durch Erbrechen in die Luftröhre und den unteren Atemtrakt gelangt (Aspiration). Dadurch könnte es nämlich zu schweren akuten Schäden der Lunge kommen und schwere irreversible Schäden bis zum Tod verursachen, was ich zu diesem Zeitpunkt allerdings verdrängt habe. Zu groß war mein Verlangen nach Trinken.

Außerdem sollte meine (blockbare) Trachealkanüle mit Cuff, also das Ungeheuer am Luftröhrenschnitt, tagsüber durch eine Kanüle mit Sprechventil oder eine Sprechkanüle ersetzt werden, damit ich besser mit Ärzten und Schwestern kommunizieren kann.

Übrigens konnte ich nun schon den Schleim, der sich in der Kanüle sammelt, mit einer speziellen Pumpe selbst abpumpen und musste nicht immer nach einer Schwester klingeln.

Die Visite um 7 Uhr war die erste nach der OP, da am Wochende ja keine Visite stattfindet. Beim Blick in die Gesichter der an der Visite teilnehmenden Ärzte fiel mir auf, dass die meisten mir zulächelten und der “Anführer” war höchst zufrieden mit meinem Zustand am 4. Tag nach der OP. Allerdings erfuhr ich, dass der Schlucktest auf morgen verschoben worden sei. Wieder ein Versprechen, das nicht eingehalten wurde. Man baut sich doch als Patient an solchen Versprechen auf.

Danach wurde der Trachealtubus mit einer Sprechkanüle ausgewechselt. Es gibt Schöneres, als so etwas in den Hals beziehungsweise die Luftröhre gesteckt zu bekommen. Und das Dumme war, dass gerade keine Sprechkanüle mit “Block” vergfügbar war und wegen Erstickungsgefahr beim Schlafen für die Nacht wieder ausgetauscht werden musste.

Nun konnte ich aber das erste Mal nach der OP Vera-Marleen Sprachnachrichten per WhatsApp schicken.

Das neue Gewebe von meinem linken Arm, das an meine Zunge implantiert wurde, sei noch etwas blau, also noch nicht gut durchblutet, stellte der diensthabende Arzt auf der Station fest.

Um 11 Uhr bekam ich einen Beutel Infusion mit der “Energy”-Pampe. Vera-Marleen habe ich beauftragt, mir heute eine kleine Wassermelone, ein Wassereis und eine Bio-Zitrone zum Riechen und daran Lecken mitzubringen.

Gegen Mittag wurde ich auf einmal total müde, traute mich aus Angst vor dem Ersticken aber nicht, mich hinzulegen und zu schlafen. Ich brachte dann das Bett mit der Fernbedienung in Sitzstellung und wollte ein Nickerchen machen, das klappte aber nicht. Ich war zu unruhig.

So machte ich mich auf den Weg in den Duschraum und wollte ein Warm-Kalt-Wechselbad für meine Füße machen, um wach zu bleiben, aber es kam nur lauwarmes, wohl aus Sicherheitsgründen auf eine bestimmte Temperatur voreingestelltes Wasser aus der Brause.

Unangebrachter Besuch

Dann stand auch schon eine Dame vom Sozialen Dienst in meinem Zimmer wegen der Vermittlung eines Pflegedienstes nach meiner Entlassung. Die Dame war schneller da, als der mir am dritten Tag versprochene Joghurt. Was interessiert mich im Augenblick, was in zwei, drei Wochen ist. Ich fand den Besuch unangebracht.

Am Nachmittag kam Vera-Marleen mit einer riesigen Wassermelone, einer Zitrone, einer Apfelsine und einem Capri-Wassereis. Endlich konnte ich meinen Heißhunger oder besser gesagt Heißdurst befriedigen. Ganz vorsichtig und mit nach rechts gebeugtem Kopf, damit bloß nichts in die “falsche Kehle kommt”, wie man so schön sagt.

Am Abend blieb ich wach, traute mich mit der Sprechkanüle nicht zu schlafen. Die wachhabende Ärztin war auch im Flur mit einem Notfall beschäftigt und musste irgendwie an einer Nase herumschnibbeln. Da wollte und konnte ich natürlich nicht stören. Um 22.45 Uhr war dann aber auch mein Trachealtubus gewechselt. Auf meinem Tracker hatte ich 5.800 Schritte. Da war sogar die Ärztin erstaunt, als ich ihr das erzählte und endlich konnte ich einschlafen.

Tag 5 nach der OP

Heute, am Dienstag, dem 31. August, sah der Klinikleiter, Professor Robert Mlynski bei der Visite die riesengroße Wassermelone und die Zitrone, war erstmal kurz sprachlos und lies dann beide Früchte vom Stationsleiter beschlagnahmen. Ich habe es sportlich genommen, hatte ja noch die Blaubeeren.

Dann war tatsächlich am späten Vormittag der Schlucktest mit Videoaufnahme. Er wurde nur mit Wasser durchgeführt, nicht mit Joghurt oder anderen breiigen oder gar festen Konsistenzen, da das den Schorf der inneren Wunden im Rachen beschädigen könnte. Da Wasser aber schwerer als ein Joghurtbrei ist, so wurde mir erklärt, reicht dieser Test vollkommen aus, um aussagekräftig zu sein und die Videoaufzeichnungen ergaben, dass ich den Schlucktest bestanden habe und jetzt stilles Wasser ohne Kohlensäure oral trinken durfte.

Und Kamillentee, der bekanntlich ja heilende Wirkung hat. Und auch Smoothies, Buttermilch und Joghurt. So war der Deal mit dem Arzt am frühen Morgen in dem Behandlungsraum, in den ich allmorgentlich beordert wurde.

Und am frühen Nachmittag stand sie dann endlich vor mir: Die so sehr ersehnte Tasse Kamillentee. Es wurden insgesamt 6 Tassen und ich stellte fest, dass die Schleimbildung reduziert wurde.

Vera-Marleen kam heute mal nicht, musste sich ausruhen. Auch ich bin am Nachmittag eingenickt mit der Sprechkanüöe, aber eine Schwester sagte, das das nicht schlimm ist. Und dass ich mich mit Handy auf dem Klinikgelände draußen bewegen und auf eine Bank setzen dürfe.

Das habe ich dann am Abend in die Tat umgesetzt und habe das Klinikgelände erkundet. Erst habe ich eine “freizügige” Frau entdeckt und mich neben sie gesetzt.

Dann entdeckte ich auf dem Gelände einen riesengroßen, alten Kastanienbaum und eine Bank.

Natürlich habe ich den mächtigen Stamm des Baumes umarmt, um von ihm Kraft zu bekommen und dann auf der Bank die Ruhe und spürbare Kraft des Baumes genossen. So wird man gesund und nicht nur im Bett liegend, dachte ich bei mir und war froh, dass ich mich gegen die meiner Meinung nach allzu konservativen Regeln der Otto-Körner-Klinik bezüglich der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme durchgesetzt habe.

An diesem Tag habe ich noch 150 g Joghurt, ein paar Blaubeeren, 250 ml Smoothie über den Mund und keinen Energy-Ekelbrei via PEG zu mir genommen. Mein Gewicht habe ich mit 83,7 kg dokumentiert und mein Fitness-Tracker zeigte 8.000 Schritte an.

Ich benannte mein Krankenzimmer in “Sunshine Suite 6, Captain’s Room” um und führte ab heute genauestens Buch darüber, was ich an Flüssigkeit und Anderem gegen den Rat der Ärzte zu mir genpmmen habe.

Ein Arzt sagte heute zu mir: “Ihnen geht es viel zu gut, das ist das Problem.”

Tag 6 nach der OP

Am Mittwoch, dem 1. September 2021 habe ich um 10 Uhr schon zwei Smoothies Banane und Kokos mit insgesamt 500 ml und fünf Tassen Kamillentee getrunken, immer schön mit nach rechts geneigtem Kopf, damit auch ja nichts versehentlich in die Luftröhre läuft. Der Nachttubus wurde schon auf Sprechtubus gewechselt und die Verbände an Arm und Bein wurden erneuert.

Am Nachmittag war Vera-Marleen wieder zu Besuch und wir sind zum Doberaner Platz gegangen und haben uns am Straßencafe “Liebreiz” draußen in die Sonne gesetzt. Ich habe das erste Mal “Rheinsberger Bio Preussenquelle” getrunken und fand dieses Mineralwasser sehr schmackhaft.

Abends bekam ich noch 370 ml von dem Ekelbrei über Boli, das sind größere Spritzen für die künstliche Nahrungszufuhr über die PEG, damit ich für die Wundheilung genügend Proteine und Vitamine zu mir nehme. Mein Tracker zeigte 10.000 Schritte an, ich war total kaputt und war dann froh, als der Nachttubus eingesetzt wurde und ich endlich schlafen konnte. Fünf Stunden am Stück habe ich durchgeschlafen.

Tag 7 nach der OP

Am Donnerstag, dem 2. September bekam ich endlich die erfreuliche Nachricht, dass bei der Gewebeuntersuchung der entfernten Lymphknoten keine Metastasen gefunden wurden. Das bedeutete, dass mir Bestrahlungen und Chemotherapie erspart bleiben. War das eine Erleichterung!

Ich habe mich gleich schon kurz vor eins für einen Spaziergang “ins Außengehege” bis 15 Uhr von der Station abgemeldet und bin zum “Liebreiz” am ein paar hundert Meter entfernten Doberaner Platz gegangen, um das mit einer Preussenquelle zu feiern. Und frische Luft soll ja auch gut für die Wundheilung sein.

Kurz vor 15 Uhr war ich dann wieder etwas außer Atem in der Klinik, da Vera-Marleen wieder zu Besuch kommen wollte. Da es herrlichstes Sommerwetter war, haben wir an diesem 7. Genesungstag zusammen das Klinikgelände erkundet. Ich wollte Vera-Marleen “meinen” Kastanienbaum zeigen, aber irgendwie sind wir an einer Trauerweide gelandet, obwohl es doch etwas zu freuen und nicht zu trauern gab. Dabei haben wir dieses Selfie gemacht.

Eine schöne Erinnerung an diesen Tag mit der befreienden Nachricht.

Am Abend bin ich wieder eingenickt.

Später zeigte mir eine sehr smpathische Nachtschwester, wie man die Spritzen mit den aufgelösten Medikamenten über die PEG-Magensonde zuführt und ich konnte es nun selbst machen. Wir unterhielten uns noch über Usedom, den Bodensee und über Kraniche auf Rügen, während ich 480 ml der Energy-Pampe als PEG-Infusion bekam.

Zur Nachruhe kam ich erst gegen drei Uhr morgens, da ich vorher einfach nicht einschlafen konnte.

Oral zu mir genommen habe ich 7 Tassen Kamillentee, 500 g Joghurt und 500 ml Smoothies und 8.000 Schritte zurückgelegt.

Tag 8 nach der OP

Ein Freitag, der 3. September 2021. Ein Assistenzarzt, der ganz offensichtlich sauer war, dass ich seinen Empfehlungen, nichts oral zu mir zu nehmen, nicht gefolgt bin, eröffnete mir kurz und knapp, dass ich am kommenden Mittwoch, also dem 8. September entlassen werden würde. Das Loch im Hals zur Luftröhre würde nur mit einem Pflaster zugeklebt und würde dann innerhalb von zwei, drei Wochen von selbst zuwachsen, erfuhr ich so nebenbei. Ich konnte ich mir gar nicht vorstellen, dass das funktionieren soll.

Zur Besuchszeit um 15 Uhr kam Vera-Marleen wieder und wir machten uns Richtung Doberaner Platz auf den Weg.

Am Abend hat mir die wachhabende Ärztin gesagt, dass der Luftröhrenschnitt besser am nächsten Morgen dichtgemacht wird, damit ich nachts keine Panik bekomme. Tagsüber könne ich mich dann besser daran gewöhnen.

Blick auf mein Bett in der “Sunshine Suite #6”

Habe die ganze Nacht im Sitzen zugebracht, da ich Angst hatte, mich mit der Sprechkanüle hinzulegen.

An diesem Tag habe ich 7 Tassen Kamillentee, 285 g Joghurt, 500 ml Buttermilch und einige Blaubeeren oral zu mir genommen, so meine Dokumentation. Mein Tracker hat 8.000 Schritte gezählt. Und ich wurde wieder mit 480 ml Energy-Pampe via PEG-Sonde gemästet, so dass mein Gewicht zu diesem Zeitpunkt wieder nach oben ging.

Tag 9 nach der OP

Es war Samstag, der 4. September 2021 und wie gestern avisiert, wurden die Fäden am Luftröhrenschnitt gezogen und das Loch mit einem Pflaster “dichtgemacht”. Nun war ich diese ätzende Trachealkanüle los!

Der “Zungentest” und endlich von der Trachealkanüle befreit

Als erstes habe ich getestet, wie es mit dem Atmen beim flach Liegen klappt. Das ging problemlos.

Ich wurde auch darauf aufmerksam gemacht, dass ich beim Drücken während des Stuhlgangs und beim Sprechen mit den Fingern gegen das Loch drücken muss, damit der Luftröhrenschnitt ungestört zuwachsen kann und vor allem keine Luft zwischen die Hautlappen kommt. Morgen sollen dann die Metallklammern an der Halsnarbe gezogen werden.

Das an die Zunge von meinem Unterarm implantierte Gewebe ist gut angewachsen, nur ein ganz kleines Stück habe sich gelöst. Das wäre aber nicht weiter schlimm. Morgen würden dann auch die beiden Wunden am Unterarm und Bein behandelt werden.

Am Nachmittag kam Vera-Marleen wieder zu Besuch und wir drehten unsere gewohnte Runde zum und am Doberaner Platz und tranken etwas in der Sonne.

Oral zu mir genommen habe ich laut meiner Aufzeichnungen: 5 Tassen Kamillentee, 350 g Joghurt, 500 ml Kefir und 500 ml Smothies mit meiner Lieblingsmischung aus Banane und Kokos. Via PEG wurde ich zusätzlich mit unglaublichen 900 ml von der Energy-Pampe gemästet, damit die Wunden gut verheilen. 8.200 Schritte haben hoffentlich für gute Verbrennung gesorgt.

Tag 10 nach der OP

Heute, am zehnten Tag der Genesung, dem 5. September, einem Sonntag, ging es gleich zur Sache: 21 Metallklammern am Hals wurden entfernt, Schorf an der Wunde am Bein recht schmerzhaft entfernt und das Loch im Hals desinfiziert und neu verklebt. Dabei wurde mir so ganz nebenbei mitgeteilt, dass morgen oder übermorgen der Luftröhrenschnitt doch zugenäht werden soll, um einer gefährlichen Infektion vorzubeugen. Vielleicht, weil ich entgegen der ärztlichen Empfehlung oral Nahrung und Flüssigkeit zu mir nehme. Keine Ahnung, als Patient wird man leider von manchen Ärzten nicht so richtig informiert, wenn man nicht selber nachfragt. Aber vielleicht schützt einen das auch manchmal davor, allzu große Angst zu bekommen. Das hat alles zwei Seiten, wenn ich so darüber nachdenke.

Allerdings das Unangenehme bei dieser Variante des operativen Zunähens des Luftröhrenschnittes: Da Vollnarkose wegen der geschwollenen Zunge und Narben im Rachen und Hals deshalb nicht möglich ist, weil aufgrund dieser Schwellungen keine künstliche Beatmung durchgeführt werden kann, erfolgt die etwa 40-minütige Operation, der Tracheostomaverschluss nur unter örtlicher Betäubung bei vollem Bewusstsein.

Ach ja, und morgen sollen dann die Fäden am Arm gezogen werden, erklärte mir der immer freundlich lächelnde Oberarzt Dr. Daniel Strüder. Und ich dachte, dass die sich die Fäden heutzutage von selbst auflösen.

Erst gegen 12 Uhr bin ich zum Waschen und der Hautpflege ins Badezimmer gekommen, so beschäftigt war ich bis dahin.

Zur Besuchszeit kam Vera-Marleen wieder und wir marschierten zum naheegelegenen Doberaner Platz, tranken etwas im sonnigen Außenbereich des Cafe Central.

Der Abend verlief ohne nennenswerte Ereignisse. Um 2 Uhr bin ich eingeschlafen. Meine Dokumentation sagt aus, dass ich 3 Tassen Kamillentee, 500 ml Kefir. 250 ml Smoothie, einige Stückchen Wassermelone, 100 g (pampigen) Quark, knapp 1 Liter Eistee und 50 g Blaubeeren oral zu mir genommen habe. Von der Energy-Pampe habe ich ebenfalls 1 Liter über die Magensonde erhalten. An Schritten habe ich an diesem Tag 6.700 geschafft.

Tag 11 nach der OP

Am Montag, dem 6. September wartete ich darauf, zur Operation des Luftröhrenschnittes abgeholt zu werden. Ich durfte natürlich weder etwas trinken noch etwas essen. Ich wartete und wartete. Gegen 15 Uhr schrieb ich Vera per WhatsApp: “Dieses Warten ohne Zwischeninformation durchzieht die Erfahrungen mit dieser Klinik wie ein roter Faden und macht alle positiven Erfahrungen zunichte.”

Ich fragte also nach, wann ich denn nun zur Operation abgeholt würde und nun hieß es, dass ich aufgrund vieler Notfälle heute nicht mehr operiert würde, sondern erst am Mittwoch. Somit würde sich auch meine Entlassung verschieben.

Da ich richtigen Kohldampf hatte, habe ich erst mal einen halben Liter Kefir getrunken.

Als ich mich um 16 Uhr zu meinem Spaziergang bei der Station abmeldete, sagte eine Schwester, ich sähe aus, als ob ich in Urlaub fahre. Wohl wegen meiner verspiegelten Sonnenbrille im Pilotenlook. Ich brummelte in mich hinein: “Nein, ich sehe aus wie ein Genesender” und zog von dannen.

Am Abend, als ich zurück war, sagte mir der immer freundliche Oberarzt Dr. Daniel Strüder, dass ich morgen um 7.30 Uhr operiert würde. Ich versuchte mich dann, mit “Bauer sucht Frau” abzulenken.

Oral habe ich Folgendes zu mir genommen: 4 Tassen Kamillentee, 150 g Joghurt, die schon erwähnten 500 ml Kefir, 250 ml Smoothie, einen halben Liter Eistee und 50 g Blaubeeren. Via PEG 500 ml Energy-Pampe. Schritte 5.500

Tag 12 nach der OP

Es war Dienstag, der 7. September 2021, als ich kurz nach 7 Uhr zur Operation, also dem Verschluß des Luftröhrenschnittes (Tracheostomaverschluss) bei nur örtlicher Beteubung abgeholt wurde.

Mein Operateur war der Facharzt Christoph Lachmann und obwohl er einen wirklich tollen Job gemacht hat, war diese Operation mit nur örtlicher Betäubung das Brutalste, was ich bisher in meinem Leben mitgemacht habe.

Die OP hat auch nicht 40 Minuten gedauert, sondern 90 Minuten und war der absolute Horror. Ich habe live mitbekommen, wie Löcher an meiner Luftröhre und wohl auch Speiseröhre zugenäht wurden und was weiß ich noch alles an Hautlappen und sonstigem, was da herumhing. Am Schluss wurde dann das Loch im Hals mit einer sechs Zentimeter langen Naht zugenäht.

Es hat wie eine Ewigkeit gedauert und die Betäubung musste zwischendurch auch immer mal wieder aufgefrischt werden. Die Anästhesistin war besonders einfühlsam und hat auch einmal mein Hand gehalten, als es für mich immer unerträglicher wurde.

Der Assistenzarzt Christoph Lachmann hat immer wieder gesagt, dass er gleich fertig ist. Was hätte er auch sonst sagen sollen?

Nachtrag: Übrigens ist die Naht eine Meisterleistung, denn sie ist trotz der Länge von immerhin sechs Zentimetern kaum erkennbar.

Um 9 Uhr wurde ich aus dem Operationssaal gekarrt. Ich war fix und fertig von dieser Tortur, wie man auf dem Foto unten erkennen kann.

Kurz danach sind vom diensthabenden Assistenzarzt noch die Fäden am linken Unterarm gezogen worden, als ob ich nicht schon genug gelitten hätte, und der Assistenzarzt Dr. Grajek wollte mich noch so richtig schön ärgern und sagte, ich dürfe die nächsten fünft Tage nichts essen und trinken. Er begründete es damit, dass ich mich ja verschlucken könnte, dann husten müsste und alles dann wieder aufplatzt.

Ich glaubte an Schikane und war fertig mit der Welt.

Und ich hatte wahnsinnige Schmerzen, trotz verabreichter Schmerzmittel. Erst nach Verabreichung mehrerer  Schmerz-Cocktails über die Nacht verteilt und auf mein Verlangen hin, konnte ich schlafen.

Tag 13 nach der OP

Es war Mittwoch, der 8. September 2021. Eine nette Schwester hatte Mitleid oder wusste nichts von der OP und brachte mir eine Tasse Tee. Danach wurde der blutige Verband von der OP gegen einen frischen gewechselt. Man war zufrieden mit der Wunde und der Facharzt, der mich operiert hat, Christoph Lachmann, war stolz auf sein “Werk” und durfte es auch sein. Heute, fast acht Wochen nach der Operation, sieht man die nur 6 cm lange Narbe kaum noch.

Heute war auch Schluß mit ruhigem Einzelzimmer. Ich bekam einen Bettnachbarn, der so wie ich auch absolutes Redeverbot hatte, damit sich nicht Luft zwischen den zusammengenähten Hautlappen ansammelt. Einer sagte, man darf eine Woche nicht reden, der nächste spricht von zehn Tagen Redeverbot. Wie beim Trinken gibt es unterschiedliche Ansagen. Das finde ich absolut unprofessionell und das sorgt für Unsicherheit beim Patienten.

Tagsüber habe ich viel geschlafen und trotzdem 4.000 Schritte auf dem Flur und draußen geschafft. Eine Vollnarkose konnte wegegen der geschwollenen Zunge nicht gemacht werden, habe ich inzwischen herausbekommen. Ich hätte nicht beatmet werden können.

Abends sagte mir eine Schwester, dass ich beim Schlucken gegen die Wunde drücken soll, damit sich da keine Luft ansammelt. Das ist nämlich bei meinem Bettnachbarn passiert. Der hat immer den Schwestern geantwortet, wenn sie mit ihm gesprochen haben.

Ja, die Aufklärung der Patienten hier könnte besser sein.

Tag 14 nach der OP

Donnerstag, der 9. September 2021. Die Nacht habe ich mit Fernsehen verbracht. Mein Bettnachbar, der von morgens bis zum Schlafengehen in einem dicken Büchlein Kreuzworträtsel löst, hat geschnarcht. Aber wie! An Schlafen war nicht zu denken. Trotzdem fühlte ich mich gut. Ich hatte gestern ja tagsüber extrem viel geschlafen.

Als Freiberufler war ich lange Zeit privat versichert bei etwa 1.000 DM Beitrag im Monat. In dieser Zeit war ich nie krank und konnte die Vorteile eines privat Versicherten nicht einmal nutzen. Jetzt, im Alter, bin ich leider nur gesetzlich versichert und muss in Mehrbettzimmern auch mit “unangenehmen, schnarchenden Bettnachbarn” klarkommen.Umgekehrt wäre es sindvoller für mich gewesen.

Nach der Visite war Verbandswechsel an Arm und Bein und Hals. Nachmittags kam Vera-Marleen wieder zu Besuch und wir setzten uns am Doberaner Platz in die Sonne.

Abends habe ich die Energy-Pampe dummerweise im Schnelldurchlauf in 15 Minuten durchlaufen lassen. Das war ein Riesenfehler! Mir war kotz-elend. Erst als mir eine Schwester den Tipp gab, meinen Bauch zu streicheln und im Flur zu laufen, wurde es etwas besser.

In der Nacht war dann die Übelkeit und das Völlegefühl von der viel zu schnell in den Magen gelaufenen Energ-Pampe dann verschwunden und ich habe gut geschlafen. Das Schnarchen des Zimmernachbarn war diesmal erträglich.

Tag 15 nach der OP

An diesem Freitag, dem 10. September 2021 und 14. Tag der Genesung war zunächst wieder Verbandswechsel und die Ärzte wollten später besprechen, ob ich morgen entlassen werden kann.

Als ich ins Patientenzimmer zurück kam, saß mein Zimmernachbar schnarchend eingenickt über seinem Kreuzworträtsel-Büchlein.

Am Nachmittag kam Vera-Marleen wieder zu Besuch und packte schon mal meinen Koffer, da morgen meine Entlassung anstand. Dann gings wie immer zum Doberaner Platz und abends wieder ein letztes Mal die Energy-Pampe neben der oral zu mir genommene Nahrung wie Smoothies, Blaubeeren, Joghurt und Kefir, die ich mir immer selbst beschafft beschafft habe. Lidl war ja fast auf dem Klinikgelände.

Die Nacht habe ich ziemlich unruhig verbracht, kaum geschlafen. Ich war ja auch aufgeregt, weil ich morgen endlich wieder nach Hause konnte.

Tag 16 nach der OP

Am Morgen dieses Samstag, den 11. September 2021 und dem sechszehnten Tag meiner Genesung, dem Tag der Entlassung, packte ich den Rest meiner Sachen ein. Das hat mich derart angestrengt, dass ich klitschnass geschwitzt war.

Und dann hieß es wie – so oft – wieder warten. Auf die Entlassungsdokumente, den Transportschein für das Taxi und schließlich auf den Taxifahrer, der mich von der Station abholen sollte.

Ich hatte Glück, es war ein syympathischer Taxifahrer und wir unterhielten uns auf der Fahrt.

Um 12 Uhr war ich endlich wieder zu Hause.

… Ich schreibe hier noch …

… über die weitere Genesung zu Hause, den Pflegedienst für die PEG-Sonde und die Nachversorgung der tiefen Wunde am linken Arm, die wegen der Dimension nur langsam heilt …

Der Krebs ist besiegt!

 K.O. in der ersten Runde

Dr. Sebastian Schraven, der stellvertretende Klinikleiter der Otto Körne-Klinik in Rostock und sein Ärzte-Team sowie die Schwestern und Pfleger der Station 1 unter Leitung von Christian Arndt haben es geschafft, den Tumor vollständig zu entfernen und für meine erstaunlich schnelle Genesung zu sorgen.

Am 11. September konnte ich eher als gedacht, aus der Klinik entlassen werden.

Die Otto Körner Klinik ist übrigens 1899 von Otto Körner eröffnet worden und die älteste HNO-Klinik in Nord- und Mitteleuropa.

Ich bin noch etwas zu schwach, um wie gewohnt an meinem Blog und meinem youTube-Kanal zu arbeiten, aber es geht aufwärts und ich bin hoffentlich bald wieder fit.

Instagram aktualisiere inzwischen, aber das geht ja auch ohne großen Aufwand und das kann ich so nebenbei machen.

Ganze 7 kg habe ich durch die Operationen abgenommen und nun mein seit längerem angestrebtes Idealgewicht von 81 kg erreicht. Ich kann entgegen aller Erwartungen schon wieder Nahrung und Getränke oral zu mir nehmen, wenn auch langsamer als üblich. Das war meine größte Befürchtung, dass ich über längere Zeit künstlich ernährt werden muss.

 

11.9.2021: Vom Krebs befreit wieder zu Hause

Update 28. Oktober 2021

Heute war ich wieder zu wöchentlichen Wundversorgung morgens um 7:30 Uhr in der Otto Körner-Klinik. Da ja nach dem sogenannten Tumorboardbeschluss nochmals nach drei bis fünf Monaten nach der OP eine klinische Kontrolle in Form eines MRT und einer erneuten Panendoskopie unter Vollnarkose mit Biopsie (Gewebeprobenentnahme) erfolgen soll, erhielt ich heute die Termine Mitte Dezember für die vorstationäre 8-stündige Aufnahmeprozedur inklusive MRT und die Panendoskopie mit anschließend einer Nacht Überwachung in der Klinik.

Obwohl ich mich dazu entschieden habe, diese nicht ungefährliche Operation nicht noch einmal über mich ergehen zu lassen, wurde mir empfohlen, sicherheitshalber den Termin erstmal stehen zu lassen. Ich könne meine Entscheidung noch bis einen Tag vor den Terminen überdenken.

Weil ein derartiger Eingriff für mich weder eine Woche vor Weihnachten noch zum Jahreswechsel oder Anfang Januar in Betracht kommt, steht meine Entscheidung eigentlich schon fest.

Da in den während der großen OP am 26. September 2021 bei der Neck Dissection entnommenen Lymphknoten und wohl auch anderer Gewebeproben keine weiteren Metastasen im Rachenraum gefunden wurden, kann ich nicht so ganz nachvollziehen, warum drei Monate später nun eine erneute Gewebeentnahme aus den Schleimhäuten entnommen werden soll. So heißt es in dem Aufklärungsbogen wörtlich: “Im Rahmen der Endoskopie werden Schleimhäute direkt sichtbar, die sonst verborgen liegen. Dadurch wird die Diagnose wesentlich zuverlässiger” als bei den alternativen Untersuchungen wie Computertomografie, also dem CT oder einem MRT.

Ich persönlich würde, wenn überhaupt, nur ein MRT machen lassen, da mein Medtronic SureScan CRT-Herzschrittmacher” unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen eine MRT-Untersuchung bei 1,5 T oder 3 T durchführbar ist”.

Viel lieber möchte ich aber die Magensonde schnellstens loswerden, da sie nicht benutzt werden muss und nur einen möglichen Infektionsherd darstellt.

Ich habe mich dagegen entschieden

Heute, nachdem ich eine Nacht darüber geschlafen habe, habe ich mich gegen die klinische Nachuntersuchung in Form einer Panendoskopie entschieden und werde versuchen, für Ende November einen Termin für die Entfernung der PEG-Magensonde zu bekommen, damit ich den Dezember und den Jahreswechsel nach meinen Vorstellungen ohne unangenehme Termine und Aufenthalte in einer Klinik und in Wartezimmern genießen kann. Ich habe die Terminaufhebung der Klinik auch per eMail mitgeteilt, damit der Termin für andere Patienten, die sich gerne unbedingt kurz vor Weihnachten operieren lassen möchten, frei ist.

Beim nächsten Verbandswechsel in der Klinik versuchte mich ein Assistenzarzt, der meinen Fall gar nicht kannte und mit dem ich noch nie zu tun hatte, mich trotz meiner Entscheidung gegen die Panendoskopie zu überreden, diese Untersuchung mit risikoreicher Vollnarkose doch über mich ergehen zu lassen.

Ich weiß noch nicht einmal, welche Personen zum Tumorbaord gehörten, die die Empfehlung ausgesprochen haben, nun zwei Jahre lang alle drei Monate Nachsorgeuntersuchungen durchzuführen. Und dann nochmal drei Jahre lang alle sechs Monate, wenn ich das alles auf die Schnelle richtig verstanden habe.

Ziel soll es sein, so habe ich bei “krebs.de” nachgelesen, den Patienten in dieser Phase medizinisch, aber auch psychosozial zu begleiten und zu unterstützen. Die Ziele sollten individuell mit dem Patienten festgelegt, an seine Situation angepasst und optional in einem Tumorpass festgehalten werden. 

Mit mir wurde rein gar nichts in Augenhöhe besprochen oder einer der Klinikärzte als fester Ansprechpartner für die medizinische Nachsorgephase benannt.

Ein Assistenzarzt schaut, wenn er mich jetzt sieht, immer weg oder grüßt mich nicht. Er hat mich am 31. August ein Dokument unterschreiben lassen bezüglich der “Ablehnung einer stationären Behandlung”, als ich seinem ärztlichen Rat, nichts zu trinken am Tag 5 nach der OP nicht folgte. Er wollte sogar, dass ich das Krankenhaus verlasse, wie ich jetzt erst aus dem Dokument ersehen konnte und scheint meine Ablehnung des Trinkverbotes persönlich genommen zu haben.

Die tiefe Armwunde …

… fing irgendwann in den sieben Tagen bis zur nächsten ambulanten Wundversorgung in der Otto-Körner-Klinik an zu näßen und zu riechen. Da immer wieder ein anderer Arzt oder eine andere Ärztin die Versorgung vornehmen, hat dies seine Vorteile, aber auch Nachteile.

Fakt ist allerdings, dass die Fixierbinde nach einer Woche äußerlich ziemlich unsauber ist, aber ich auch nicht einsehe, für den täglichen Wechsel einen Euro pro Fixierbinde in der Apotheke aus eigener Tasche zu bezahlen. Das sind immerhin 30 € im Monat plus Desinfektionsmittel plus Klebestreifen, die nach meiner Kenntnis nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Die selbsthaftenden Fixierbinden sind noch teurer.

Mir wurde zwar von Anfang an gesagt, dass die Heilung einer solchen Wunde von entnommenem Gewebe, Adern und Nerven sehr langsam heilt, Monate braucht, auch durch die Blutverdünner, die ich einnehmen muss, aber das konnte ich gar nicht glauben. Nun merke ich, dass das wohl stimmt und die Wunde beginnt mich langsam wirklich zu nerven. Desinfektion mit Ocentisept, Nekroseabtragungen, also Entfernung von abgestorbenem Zellgewebe und Hydrokolidverband-Wechsel, ein- bis zweimal in der Woche, mit Fahrt und Wartezeit bis zu drei Stunden.

Da unser Auto ja wegen der Probleme mit der Diesel-Einspritzpumpe seit Mitte November in der Werkstatt ist, muss ich jetzt immer morgens um sieben Uhr mit der Straßenbahn zur Klinik fahren. Das sind zwar nur fünf Minuten Fußweg und dann eine halbe Stunde Fahrt mit Haltestelle direkt vor der Otto Körner-Klinik, aber bei wieder steigenden Corona-Zahlen und voller Bahn um diese Uhrzeit subjektiv sehr unangenehm, zumal man Dinge wie solche erlebt:

Eigentlich nicht

Setzt sich da eine Frau mit unter das Kinn heruntergelassener Maske direkt gegenüber meinem Platz. Ich frage sie höflich, ob sie bitte die Maske hochziehen kann und sie sagt frech “Eigentlich nicht”.

Normalerweise hätte ich noch meinen Senf dazugegeben, aber da ich wegen der Zungen-OP noch nicht ganz deutlich sprechen kann, habe ich mich einfach nur woanders hingesetzt. Und ich wette, wäre ein Kontrolleur gekommen, hätte sie die Maske schnell hochgezogen. Deshalb hat sie sich wohl auch entgegengesetzt der Tür gegen die Fahrtrichtung ganz hinten hingesetzt, sodass ein zusteigender Kontrolleur sie nur von hinten gesehen hätte. Ganz schön abgewichst! Ich finde solch ein Verhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln unglaublich und richtig asozial im wahrsten Sinne des Wortes.

Nur noch Arzttermine

Das kann es ja auch nicht sein, dass ich zu nichts mehr komme, außer in Wartezimmern zu warten. Seit dieser Krebsangelegenheit komme ich nicht mehr zur Ruhe und jage von einem Arzttermin zum nächsten, um dann wieder rechtzeitig zu Hause zu sein, wenn der Pflegedienst in einem Zeitfenster von zwei Stunden kommt, um alle zwei Tage die ungenutzte Magensonde zu versorgen, die ich auch loswerden will. Doch die Otto Körner-Klinik scheint wieder ml ein organisatorisches Problem zu haben, die PEG-Entfernung “freizugeben”.

Ich fühle mich wie in einem Hamsterrad und unfrei.

Inzwischen ist der Arztbrief für die ambulante Behandlung in der Otto-Körner-Klinik auch bei mir eingetroffen mit der Empfehlung einer Panendoskopie (unter Vollnarkose) und MRT Hals kurz vor Weihnachten und dann alle drei Monate.

Obwohl ich das nicht möchte und dies auch meinem HNO-Arzt gesagt habe, hat er mir eine Überweisung zum Re-Staging für ein CT des Thorax und eine Überweisung für ein MRT des Halses ausgestellt. Warum CT und MRT und nicht nur MRT für beide Bereiche, ist mir unverständlich und wurde mir leider auch nicht erklärt. Beim Kontrolltermin hat er mit einem Endoskop durch die Nase meinen Kehlkopf angeschaut und eine Ultraschall-Untersuchung meines Halses links und rechts durchgeführt und keine Auffälligkeit festgestellt. Unverständlicherweise habe ich hierüber keinen schriftlichen Befund erhalten.

Er meinte auch, dass das Risiko eines neuen Tumors bei mir ziemlich klein ist.

Da ich persönlich davon ausgehe, dass der Tumor durch eine Druckstelle eines Zahnersatzes entstanden sein könnte, glaube ich auch daran, dass ich vom Krebs geheilt bin.

Ich möchte mich auch nicht mehr laufend mit dem Thema “Krebs” beschäftigen, was aber zwangsläufig der Fall wäre, wenn man alle drei Monate derart brutale Untersuchungen wie Panendoskopie, CT und MRT über sich ergehen lassen muss. Der Satz im Arztbrief der Otto Körner Klinik, nämlich dass ich jederzeit dort zur Kontrolle vorsprechen kann, beruhigt mich allerdings sehr. Dies ist jedoch wahrscheinlich nur aus juristischen und wirtschaftlichen Gründen zwecks möglicher Abwehr von Schadenersatzansprüchen “eingebaut” worden und nicht aus Interesse am Wohlergehen des Patienten.

In der Zwischenzeit war ich auch bei meinem Kardiologen und er war äußerst zufrieden mit dem EKG- und Echobefund.

Und schließlich war meine Hausärztin war mit meinen Blutwerten ebenfalls sehr zufrieden.

Nur der Vitamin-D-Wert war etwas niedrig. Hierfür hat sie mir mit einem grünen Rezept das Medikament “Vigantol” verschrieben. Sonne in südlichen Gefilden wäre mir allerdings lieber gewesen.

In dem Bericht der Klinik steht auch, dass die PEG-Magensonde nunmehr entfernt werden kann. Ich werde meine Hausärztin bitten, das schnellstens zu veranlassen, damit ich diesen potenziellen Infektionsherd jetzt möglichst schnell loswerde. Es ist ja auch kein schönes Gefühl, mit einem Schlauch aus dem Bauch zu leben. Von der Ästhetik ganz zu schweigen.

Der Pflegedienst

Noch 10 Tage, dann ist …

der 17. Dezember 2021 und die lästige PEG-Magensonde wird endlich entfernt werden. Den Termin habe ich heute bekommen und bin glücklich darüber, diesen Fremdkörper und potenziellen Entzündungsherd endlich loszuwerden.

Dann erledigt sich auch das mit dem Pflegedienst, denn auch wenn es nur dreimal die Woche mit einem jeweiligen Zeitfenster von drei Stunden war, sind das immerhin neun Stunden “Unfreiheit” in der Woche, also Zeit, die man zuhause bleiben und warten musste.

Zwar konnte ich die Zeit mit Schreiben nutzen, aber ich konnte ja nichts spontan unternehmen oder hatte Konflikte mit anderen Arzt- oder Klinikterminen.

Doch mit dem ambulanten Pflegedienst “Falkenstein” in Rostock hatte ich einen sehr professionellen, zuverlässigen und flexiblen Pflegedienst “erwischt”, mit immer freundlich lächelnden Pflegerinnen und Pflegern. Meine anfänglichen Befürchtungen, dass Pflegedienst-Mitarbeiter immer in Eile, abgenervt sind und unter Zeitdruck stehen, hat sich glücklicherweise nicht bestätigt. Alle Mitarbeiterinnen waren immer freundlich und ich habe jeder einzelnen “Schwester” angemerkt, dass sie diesen schweren, leider immer noch in der Politik unterrepräsentierten Beruf ohne ausreichende Lobby, gerne ausführt. Besonders “ans Herz gewachsen” ist mir Schwester Uta und irgendwie ist es auch schade, sie dann nicht mehr zu sehen. Sie sagte zwar, dass man sich doch immer zweimal im Leben trifft, aber ich hoffe ja für mich, nie wieder einen Pflegedienst beanspruchen zu müssen.

Die Angst bleibt …

… dass der Krebs doch wieder zurückkommt. Jede noch so kleine Veränderung an der Zunge löst Panik in mir aus.

So auch heute, als ich bemerke, dass vorne links an der Zunge eine kleine “Stelle” ist. Kein Knubbel, wie im Juli, nur eine kleine Stelle, die eine Idee heller ist als die umliegende Schleimhaut, aber weich und Vera-Marleen sagt, das es gut aussieht. So genau habe ich mir meine Zunge an der Stelle vorher auch nicht angeschaut und vielleicht sah das schon immer so aus, doch ich spüre Angst und ein beklemmendes Gefühl aufkommen, zumal 20% der Zungenkrebspatienten innerhalb von ein bis zwei Jahren einen neuen Tumor, ein sogenanntes Rezidiv erleiden, wie ich ergoogelt habe. Die Chance, die nächsten 5 Jahre zu überleben, liegt bei 50 %.

Ja, das sind meine Zukunftsaussichten. Nicht gerade hoffnungsvoll.

Heute, an meinem Geburtstag, habe ich mir morgens meine Zunge wieder im Spiegel angeschaut und glaube, dass sie “normal” aussieht. Die Angst und Panik ist auch nicht mehr da. Aber da merkt man mal, was der Faktor “Angst”, bei Krebspatienten Rezidiv-Angst genannt, ausmacht. Es ist sogar wissenschaftlich erwiesen, dass diese Angst tatsächlich neue Tumore “produzieren” kann. Angst bildet zudem das Stresshormon Cortisol und das wiederum schädigt das Gedächtnis. Als ich mich gestern Abend bei den “Asphalt-Cowboys” auf DMAX abgelenkt habe, war die Angst und Panik auf einmal verschwunden.

Es gibt sogar spezialisierte Ärzte für Rezidivängste: Psychoonkologen. Aber ich will ja weniger Arzttermine und nicht noch mehr. Also muss ich mir selbst eine Strategie entwickeln, mit dieser Angst fertig zu werden. Bei mir ist es Wissen. Die Beantwortung von Fragen. Und die finde ich im Internet.

Aber zu viel zu googeln, ist auch ungesund. Na ja, ich werde meine Strategie, die ich für mich persönlich gefunden habe, hier veröffentlichen, wenn ich sie gefunden habe.

Sondenfrei

Endlich bin ich heute nach dreieinhalb Monaten die fast ungenutzte Magensonde los, rechtzeitig vor den Feiertagen.

Dieses Teil hat mich sowas von gestört, das kann ich gar nicht in Worte fassen. Und es hat natürlich meine Freiheit wegen der Pflegedienst-Termine stark eingeschränkt. Von der Ästhetik ganz zu schweigen. Endlich fühle ich mich wieder frei.

Das Loch soll ja innerhalb von ein paar Stunden zuwachsen. Das kann man sich gar nicht vorstellen.

Von der Entfernung der PEG habe ich nichts mitbekommen. Das Letzte, was ich hörte “Die Schlinge, bitte” und dann war ich im Reich der Träume. Für nur wenige Minuten. Als ich wieder aufwachte, wurde ich mitsamt dem Vitalmonitor für eine halbe Stunde in den Wachraum geschoben. Beim Aufstehen war mir noch kurz etwas schwindelig, aber dann war ich wieder fit.

Das hatte ich mir schlimmer vorgestellt.

Meine neue Strategie

Um von der Angst vor der Rückkehr des Krebses abzulenken, werde ich mich nun endlich um meine Augen kümmern und zeitnah jetzt im Januar in die Augenklinik gehen. Von diesen privaten sogenannten “Augen-Praxis-Kliniken” habe ich echt die Schnauze voll. Das sind Geldmaschinen und keine “richtigen Ärzte”, ist meine Erfahrung. Zumindest die hier in Rostock.

Dann muss ich mich auch um physiotherapeutische Behandlung meines linken Armes kümmern, der durch die Operation in der Beweglichkeit eingeschränkt ist.

Meine linke Gesichtshälfte ist immer noch im Bereich des Ohres und Unterkiefers taub und auch meine Zunge ist (noch) nicht das, was sie mal war. Sie fühlt sich auf der gesamten Seite, an der das Stück implantiert wurde, pelzig und geschwollen an. Ich habe mich auch noch nicht getraut, mit dem Finger dort zu “forschen”.

Prophylaktisch spüle ich allerdings meinen Mund täglich mit einer Tasse Kamillentee, denn Kamille soll ja – wie wie weiter oben beschrieben – übrigens ebenso wie Sellerie und Petersilie, eine hohe Konzentration einer Substanz beinhaltet, die die Krebszellen „erinnert“, sich selbst zu eliminieren. Diese Schlüsselsubstanz nennt sich Apigenin

Ich habe fast jede Nacht Albträume (ja, man kann laut Duden mit “b” oder “p” schreiben) von meiner Zunge, beispielsweise, dass sie dicker und dicker wird und ich ersticke …

Vielleicht muss ich auch logopädische Übungen machen, damit ich wieder so sprechen kann wie vorher. Das will ich aber alleine zu Hause versuchen. Bloß nicht wieder diese freiheitseinschränkenden Termine!

Eigentlich müsste ich doch beruhigt sein, denn der Zungenkrebs wurde ja als R0-Resektion erfolgreich durchgeführt, also am Rand des entfernten Zungengewebes sind keine Krebszellen mehr festgestellt worden. Und zusätzlich erfolgte prophylaktische Neck-Dissection aller Lymphknoten auf der linken Seite. Das Risiko eines Rezidives ist also statistisch “nur” 20%. “Nur” aus der Sichtweise “Das Glas ist halb voll und nicht halb leer.”

Was will ich mehr?

Genau: Restlebensqualität und kein Hamsterrad mit Wartezimmeraufenthalten!

Und mein Unterarm ist inzwischen auch zugeheilt. Er sieht zwar noch wie der von Frankenstein’s Monster aus, aber immerhin.

Die zweite Kontrolluntersuchung

Da ich mich ja gegen die von der Otto-Körner-Klinik empfohlene vierteljährliche Panendoskopie (mit Vollnarkose) und die von meinem HNO-Arzt empfohlenen MRT- und CT-Untersuchungen entschieden habe, machte er am 17. Januar 2022 die zweite Kontrolluntersuchung nach der OP mit einem Endoskop durch die Nase und mit Ultraschall beidseitig am Hals.

Wenn ich ihn richtig verstanden habe, hat er einen bei der Neck-Dissection zurückgebliebenen Lymphknoten links entdeckt, der aber unauffällig war.

Auch die verbliebenen Lymphknoten auf der rechten Seite ergaben einen negativen Befund ebensowie die endoskopische Untersuchung des Rachens.

Diese Nachuntersuchungen hält mein HNO-Arzt in meinem Fall vierteljährlich für ausreichend und ich war sehr erleichtert, dass er nichts Neues entdeckt hat, wovor ja wohl jeder Krebspatient die größte Angst hat.

Heute habe ich von einem neuen Bluttest gehört, der Krebszellen aufspüren soll. Leider wird es noch dauern, bis dieser Test in die Hausarztpraxen kommt. Aber wenn demnächst Metaboliten, die von Tumoren produziert werden, als Biomarker verwendet werden können, um Krebs genau zu erkennen, wird die Vor- und Nachsorge einfach durch regelmäßige Blutuntersuchungen erfolgen können, denke ich mal so ganz laienhaft.

Da ich seit einer meiner Synkopen vor der Herzschrittmacher-Implatation auf dem linken Ohr etwas “dumpf höre” und ja schon lange ein ständiges Rauschen höre, habe ich anschließend einen Hörtest machen lassen, der bestätigte, dass ich auf dem linken Ohr Probleme mit höheren Tönen habe. Weitere Untersuchungen sollen dann bei der nächsten Kontrolluntersuchung gemacht werden. Warum ich damit so lange warten soll erschließt sich mir nicht so ganz.

Vielleicht hat das Gründe, die in der Abrechnung mit der Krankenkasse liegen und es ist wirtschaftlicher, die weitergehenden Untersuchungen in das nächste Quartal zu nehmen.

Physiotherapie

Da es in meinem linken Arm nach der Transplantation des Radialislappens sehr schmerzhaft zieht, wenn ich beispielsweise den Arm aus dem Autofenster strecke, um den Knopf für eine Parkplatzschranke zu betätigen, hat mir meine Hausärztin sechs Therapieeinheiten zu je zwanzig Minuten verschrieben.

Recht skeptisch bin ich also zu einer Physiotherapie-Praxis gegangen, die gute Bewertungen im Internet hatte und habe gleich die sechs Termine, drei mal pro Woche, bekommen. Darüber aufgeklärt worden, was gemacht wird, bin ich nicht, stattdessen bekam ich einen Behandlungsvertrag vorgelegt, der primär regelte, dass ein Ausfallhonorar in nicht angegebener Höhe bezahlt werden muss, wenn man einen Termin nicht 24 Stunden vorher absagt. Die “Kreuzchen zu machen sind das wichtigste”, so der Originalton. Ich wurde auch nicht gefragt, ob ich lieber von einer Therapeutin oder von einem Therapeuten behandelt werden möchte. Das Aufnahmeprozedere war also sehr unpersönlich und massenabfertigungsmässig. Das hatte ich mir etwas anders vorgestellt.

In der ersten Einheit wurde ich mit zwei Übungen vertraut gemacht. Zunächst sollte ich den Arm hängend hin- und herdrehen, so als ob man einen Verschluß öffnet und schließt. Die zweite Übung bestand darin, den Arm gestreckt seitlich vom Körper während des Einatmens möglichst weit zu heben. Das ging bei mir nur bis in die waagerechte Position “neun Uhr”, also nicht so hoch wie mit meinem rechten Arm “zwölf Uhr”.

Zum Abschluß wurde mir ein Wärmekissen auf den Rücken gelegt und ich erhielt drei Klebepunkte, die ich an einer Tür befestigen sollte und im Vorbeigehen iimmer mit gestrecktem Arm versuchen sollte, zu erreichen. Drei Aufleber deshalb, um die Höhe nach und nach zu verändern.

Und das war’s auch schon für die erste Behandlung. Nun habe ich drei Tage Zeit, diese beiden Übungen zu Hause zu praktizieren.

Das habe ich auch gemacht und zwar mit Erfolg, den nun schaffe ich es an der Tür schon bis zum Türrahmen. Das hat auch der Physiotherapet bemerkt und mich in den Gym-Raum mit Geräten, Hanteln und Expander-Bändern mitgenommen.Er fand es auch ganz offensichtlic gut, dass ich die Übungen zuhause so oft praktiziert habe, dass ich sogar Muskelkater davon hatte.

Er hat mir auch einen Tipp geben können zu einem Problem mit meiner rechten Hand, auf das ich in einen Extra-Beitrag gelegentlich näher eingehen werde. Ich fand es sehr toll, dass er einen Kollegen in dieser Sache um Rat gefragt hat.

Nun wurde mir der Physiotherapeut so langsam sympatisch, obwohl ich doch insgeheim lieber eine Therapeutin gehabt hätte.

Die heutigen Übungen bestanden sitzennd im beidseitigen Ziehen eines an dem Klettergestell befestigten Widerstandsbandes zum Körper hin und beidseitiges Heben der Arme bis in die waagerechte mit zwei 1-kg-Hanteln, jeweils 10 Wiederholungen und dann immer eine Pause, wegen meiner Herzinsuffizienz für 2 Minuten. Nach 20 Minuten war ich echt geschafft und habe daraus gelernt, dass diese 20-Minuten-Einheiten genau richtig und keinesfalls zu kurz sind, was ich anfangs vermutete.

An meiner dritten Physiotherapie-Einheit bekam ich einen Übungsplan mit drei Übungen für zuhause mit, und zwar vertikales Rudern, Schulterheben und Seitheben beidseitig mit 1,5 kg zu jeweils 3 Sätzen a 10 Wiederholungen. Vor Ort habe ich diese Übungen auch gemacht und dann noch eine Übung, die total easy aussah, aber ganz schön effektiv war: Ein Gewicht an einem Seil und zwei Handgriffen befestigt, das man durch Drehen der Griffe hoch und herunter bewegen musste. Da war ich bei sieben Wiederholungen am Limit. Kann man sich gar nicht vorstellen, wenn man das sieht.

Nach fünf Trainings-Einheiten bin ich jetzt in der Lage, selbst zuhause weiter zu trainieren und mir geeignete Übungen auf youTube zu suchen.

Enstand mein Zungenkrebs durch Zahnersatz?

“Bei Rauchern lässt sich die Entstehung von Tumoren am Mundboden einfach erklären: In der Speichelansammlung unter der Zunge konzentrieren sich die Kanzerogene aus dem Zigarettenrauch und haben dort genügend Zeit, ihre Schadwirkung auf die Zellen zu entfalten. Bei Karzinomen am Zungenrand liegen die Gründe nicht mehr einfach auf der Hand. Eine retrospektive Studie von Wissenschaftlern des Princess Alexandra Hospitals in Brisbane, Australien, zeigte, dass nur 33 Prozent der Patienten mit einem Tumor am Zungenrand Raucher sind. Da 66 Prozent der Betroffenen Nichtraucher sind, suchten die Forscher nach anderen Ursachen für die Entstehung der Tumore am Zungenrand.

Eine mögliche Erklärung könnte der Kontakt der Zunge mit den Zähnen und vor allem dem Zahnersatz sein, schlussfolgerten die Wissenschaftler. Denn Krebserkrankungen in der Mundhöhle treten meist erst in fortgeschrittenem Alter auf, wenn die meisten Menschen Brücken oder Gebisse tragen.

Schlecht sitzende Zahnprothesen könnten daher an der Entstehung von Zungenkrebs am Zungenrand beteiligt sein. Einen Beweis für ihre Hypothese fanden die Forscher im Zuge ihrer retrospektiven Studie nicht, da zum Zahnstatus der meisten Patienten keinen Informationen vorlagen.Zitat: DocCheck

Originalpublikation: Sites of Origin of Oral Cavity Cancer in Nonsmokers vs SmokersPossible Evidence of Dental Trauma Carcinogenesis and Its Importance Compared With Human Papillomavirus Brendan J. Perry et al., JAMA Otolaryngol Head Neck Surg., doi: 10.1001/jamaoto.2014.2620; 2014

Nächste Woche habe ich erstmal einen Termin bei einem Zahnarzt wegen neuem Zahnersatz.

Ich habe allerdings große Angst davor, wieder ein Plastikteil in den Mund zu setzen, da ich überzeugt bin, dass der Zungen(rand)krebs bei mir durch den Zahnersatz entstanden ist, denn seit 2015 – also sieben Jahre – habe ich keine einzige Zigarette mehr geraucht und seit 2018 auch nicht mehr gelegentlich zwei, drei Züge aus einer Tabakspfeife.

Meine Wünsche in der Zeit nach dem Krebs

Die erfolgreiche Entfernung des Tumors in meiner Zunge am 26. August 2021 war mein dritter Geburtstag, neben meinem zweiten am 16. Januar 2020, dem Tag der Implantation des Herzschrittmachers.

Nachdem ich realisiert habe, wie knapp das diesmal wieder war, habe ich mir vorgenommen, meine Wünsche, die ich immer aufgeschoben habe, spätestens im Sommer 2022 zu realisieren:

Endlich eine Hafenrundfahrt durch die vier Häfen in Rostock und Warnemünde

Endlich einen ausgiebigen Bummel durch die Rostocker Innenstadt mit (Nichtraucher-)Musik- und SzeneKneipen-Tour am Abend

Endlich mal eine Woche in meiner Heimat Bingen, Rüdesheim am Rhein zu verbringen und Wiesbaden-Sonnenberg kennen lernen

Endlich mal wieder einen ganzen Tag von morgens Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang an einem Strand verbringen

Endlich mal wieder ein Foto-Shooting mit einer großen, sportlichen, natürlichen Frau

Endlich Kraniche beobachten vom Beobachtungspunkt Pramort auf dem östlichen Zingst

Endlich weg aus diesem Plattenbau-Ghetto in Rostock und ein neues Zuhause finden

Endlich nach 7 Jahren wieder die Liebe und Treue eines Hundes spüren

Update August 2024: Nichts von diesen Wünschen habe ich mir bisher erfüllt. Ich bin in dem Freelancer-Hamsterrad meines Lebens geblieben, aus dem ich wohl bis zu meinem Tod nicht herauskommen werde. Hoffentlich schaffe ich es wenigstens, aus diesem Plattenbau-Ghetto in Rostock nochmal herauszukommen. Aber bei den hohen Mieten weltweit?

Seltsame Veränderungen nach der OP

Vor der OP hatte ich nachts immer Heißhunger auf Bananen. Seit der OP nicht mehr.

Vor der OP hatte ich öfter beim Liegen im Bett Schleim in den Bronchien. Seit der OP nicht mehr. Die Gründe kann ich mir nicht erklären.

Das Beste: Mein Bauchumfang hat sich um etwa 10 cm verringert und mein Gewicht um etwa 7 kg auf 81 kg. Warum? Meine Hausärztin, Dr. Maren Oldörp meint, dass durch die umfangreiche und anstrengende Operation meine Fettreserven im Bauch aufgebraucht worden sind, schneller und effektiver als durch Diät oder Forxiga.

Ich fragte mich allerdings laienhaft, ob das vielleicht nicht doch mit der PEG-Sonde zusammenhängen kann: Stichwort “Luft im Bauch”, die nun durch das Loch, das Stoma, aus dem Zwischenraum zwischen Magen und Bauchdecke entweichen kann? Ich weiß zwar nicht, ob das anatomisch möglich ist, aber wenn ja, dann wäre das ja eine logische Erklärung, oder?

Meine Hausärztin meinte allerdings, das sei anatomisch nicht möglich.

Mit weniger Bauchumfang fühle ich mich deutlich wohler und messe und wiege mich täglich, um bloß nicht wieder an Bauchumfang und Gewicht zuzunehmen.

Update August 2022

Als ich ein Jahr krebsfrei war und dies feiern wollte, entdeckte ich an meiner Zunge an der Transplantationsstelle kleine weiße Flecken. Der HNO-Arzt machte eine Biopsie, das heißt, er schnitt eine 3 Milimeter große Gewebeprobe der Zunge an der Stelle ab unter örtlicher Betäubung und starker Blutung. Die Gewebeprobe wurde dann zur Analyse an ein Labor geschickt und nach einer Woche Angst kam die befreiende Nachricht, dass es sich um eine leichte Entzündung der Schleimhaut handelte und nicht um eine erneute bösartige Gewebebildung.

Update August 2023

Nun bin ich zwei Jahre krebsfrei und das Risiko einer Rückkehr der Krebserkrankung beziehungsweise von Rezidiven oder Zweittumoren sinkt nun mit jedem Monat beträchtlich.

Doch die Angst vor einer erneuten unkontrollierten Zellenvermehrung und bösartigen Gewebeneubildung hängt wie bei jedem Krebspatienten, der man fünf Jahre bleibt, wie ein Damoklesschwert über einem.

Anfang Juli sah ich wieder einen kleinen, winzigen weißen Punkt an der Schleimhaut unter meiner Oberlippe. Ich habe Vera-Marleen erst gar nicht damit belastet, wie gewohnt, morgens mit dem entzündungshemmenden, wundheilungsfördernden und antibakteriellem Heilmittel für Schleimhauterkrankungen, Kamille den Mund gespült und nach zwei Wochen war der weiße Punkt verschwunden.

Man darf also erstmal nicht in Panik verfallen, wenn man eine Veränderung im Mundraum sieht. Allerdings sollte man nach spätestens drei Wochen einen HNO-Arzt zur Beurteilung hinzuziehen.

Update Februar 2024

Ich bin nun 30 Monate krebsfrei und deshalb überzeugt, dass der Zungenkrebs durch schlecht sitzenden Zahnersatz entstanden ist. Deshalb verzichte ich seit der Transplantation darauf. Unterstützung für eine Alternative habe ich allerdings weder von Ärzten noch von der Krankenkasse erhalten. Man wird damit allein gelassen.

Egal. Mir wurde mein Leben wiedergeschenkt und so spielt mein Aussehen für mich keine Rolle mehr. Als älterer Mensch wird man in dieser heutigen Gesellschaft ohnehin nicht mehr beachtet.

Update 26. August 2024

Heute bin ich drei Jahre krebsfrei und zwar immer noch Krebspatient, aber die Wahrscheinlichkeit, dass der Krebs zurückkommt, ist nach drei Jahren recht gering geworden. Ich denke gerade an die Personen, die mir namentlich positiv in Erinnerung geblieben sind: Mein Operateur, Dr. Sebastian Schraven (inzwischen Komm. Leiter der HNO in der UK Aachen), Dr. Johanna Gruel und Funktionsoberärztin Ketino Vashakidze. Und natürlich Stationsleiter Christian Arndt und sein damaliges Team im August / September 2021.

DANKE!

Vielleicht interessiert dich auch mein Blogartikel “Sechsundvierzig Mal ohnmächtig”

Links

⚠️ Aktuelles zum Thema “Zungenkrebs”⚠️

Zungenkrebs auf dem Vormarsch

Selbsthilfenetzwerk Kopf-Hals-Mund-Krebs e.V.

Krebsinformationsdienst: Angst bei Krebspatienten

Ärzteblatt: Zungenkrebs durch Zahnersatz?

Diagnose HNO-Tumor

Lebenserwartung bei Zungenkrebs

Infos zum Zungenkrebs

Krebsinformationsdienst

Medizinische Info zum Zungenkrebs

Onkologisches Zentrum Universitätsmedizin Rostock

Blog von Claudia Braunstein “Geschmeidige Köstlichkeiten”

… und Claudia nach dem Krebs on Tour

Extremer Fall von Zungenkrebs

Streut der Krebs durch eine Biopsie?

TNM Einstufung bei Krebs

TNM-Klassifikation

Ernährung bei Krebserkrankungen

Dem Krebs die Nahrung entziehen

Essen und Krebs: Was hilft, was schadet?

Die Computertomographie (CT)

Risiko Vollnarkose

Klinik HNO Uni Rostock

Tipps zur Blutabnahme

✋ Blutentnahme-Techniken als pdf

Netdoktor: Der Luftröhrenschnitt

Neue Krebstherapien

Zielgerichtete Krebstherapie

Trachealkanülen: Sprechkanüle versus Srechventil

krebs.de: Krebstherapie Nachsorge

Krebsinformationsdienst: Nachsorge

Sehr gute Infos zur PEG-Sonde

Quora: Ist Krebs schmerzlos?

Fotostory meines Kampfes gegen den Krebs

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